Fangen wir mit dem Positiven an.
Ich kann Richard Grenells Kritik in der Sache nachvollziehen.
Ich bin ein großer Freund einer funktionsfähigen Bundeswehr und eines starken NATO-Bündnisses. Wir verstecken uns zu gerne hinter unseren NATO-Partnern. Das darf in Zeiten, in denen Russland die Krim annektiert, uns – Europäern – nicht egal sein. Ich bin auch ein großer Freund einer militärischen Unabhängigkeit Europas gegenüber den USA. Gerade in Zeiten, in denen das freundschaftliche Verhältnis belastet ist. Und als Europäer denke ich, dass es an der Zeit wäre, eine europäische Armee auf den Weg zu bringen. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO ist und bleibt richtig.
Nun zum Negativen. Richard Grenells Stil ist eine Zumutung. Meinetwegen kann Secretary of State Mike Pompeo, Secretary of Defense Patrick M. Shanahan oder von mir aus auch POTUS Donald Trump selbst den deutschen Haushaltsplan kritisieren können.
I could not care less.
Ein Botschafter hält keinen politischen Auftrag inne, er ist Repräsentant eines Landes. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten durch einen Botschafter ist inakzeptabel – und Grenell ein Wiederholungstäter: Er drohte deutschen Unternehmen im Falle von Non-Compliance mit Sanktionen. Per Live-Schalte erklärte und kritisierte er bei Fox News die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel. Wäre er Chefredakteur einer Zeitung – ich würde sie wohl abonnieren. Wenn Grenell als Botschafter jedoch sein Wort hält, und tatsächlich konservative Kräfte in Europa unterstützen wird, sollte man ihm den Weg zur Ausgangstüre zeigen. Direkte Einmischung und Parteinahme in innere Angelegenheiten des Gastgebers sind nicht mehr nur unrühmlich, sondern ein Ausweisungsgrund.
Kurzum: Richard Grenells Verhalten ist eines Diplomaten unwürdig. Er benimmt sich nicht wie ein Botschafter, sondern wie ein Statthalter. Keiner repräsentiert das Symbol für mangelndes Interesse der Regierung Trumps an Europa, ja, sogar an Deutschland. Und sie ist ein Sinnbild der Stillosigkeit, die mit der Twitter-Diplomatie Trumps in die Politik Einzug gehalten hat: Manchmal nicht mal in der Sache völlig falsch, aber immer falsch kommuniziert. Man darf von einem Botschafter erwarten, dass er das Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern sucht. Leider benutzt er die Öffentlichkeit in seiner Kommunikation und stellt sich dabei selbst bloß. Er ist Botschafter, kein Sensationsjournalist. Richard Grenell hat sich den falschen Job ausgesucht.
Der US- Botschafter ist nicht nur für die deutsche Politik ein Schmerz an einer sehr unangenehmen Stelle – er schadet auch dem Ansehen seines Landes. Neben der Tatsache, dass er sich in Berlin offensichtlich selbst zu einer ungesehenen Person auf dem diplomatischen Parkett macht, so sehr wird er von der deutschen Bevölkerung abgelehnt. Selten war ein amerikanischer Botschafter so präsent in den deutschen Medien, selten war die Berichterstattung so verheerend.
Als ich am Morgen des 9. Novembers 2016 mit Schrecken erwachte, wurde ich Mitglied der Initiative junger Transatlantiker. Als ich die Bilder des Trumpschen Wahlsieges sah, war ich erschüttert. Nicht alleine wegen dem Ergebnis – vielmehr wegen meiner Befürchtung, der Wahlsieg Donald Trumps könnte den politischen Antiamerikanismus in Deutschland wieder erstarken. Ich sollte Recht behalten. Eine Ausweisung des Botschafters halte ich (noch) für überzogen. Aber es wäre wünschenswert, wenn Herr Grenell zu einem klärenden Gespräch eingeladen werden würde. Denn am Ende vom Tag gilt: Der Ton macht die Musik.
Wir brauchen keinen intervenierenden US-Botschafter.
Wir brauchen ein schallerndes „Jein“ zur transatlantischen Freundschaft.
„Ja“ zur tiefen Verbundenheit und Kooperation mit den USA.
„Nein“ zum Betragen der amerikanischen Regierung und ihres Botschafters in Berlin.
Bildquelle: Richard Grenell, U.S. Ambassador to Germany, delivers remarks during a reception aboard the Blue Ridge-class command and control ship USS Mount Whitney (LCC 20) June 15, 2018, in Kiel, Germany. Commander, U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. 6th Fleet. Creative Commons.
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