All-Time Heights

Diese jüngste Entwicklung um die Golanhöhen zählt bereits jetzt zu den außen- und sicherheitspolitischen Highlights der vergangenen Woche. Mit der Entscheidung des US-Präsidenten, die israelische Souveränität über das Gebiet formell anzuerkennen, rückt ein ebenso brisantes wie wichtiges Thema wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Transatlantisch ist das Thema nicht nur, weil sowohl Präsident Trump als auch der Nahostkonflikt in der deutschen Öffentlichkeit mit großer Ambivalenz betrachtet werden. Entscheidender für das transatlantische Verhältnis ist, dass hier zunehmende Unterschiede in der Außen- und Sicherheitspolitik erkennbar werden:
Die der Vereinigten Staaten auf der einen und Deutschland (und den meisten EU-Partnern) auf der anderen Seite.

Um eine adäquate Beurteilung der Lage vornehmen zu können, lohnt sich zunächst ein Blick auf die Vorgeschichte des umstrittenen Gebietes. Die Höhen selbst wurden im dritten Arabisch-Israelischen Krieg von Israel – wohlgemerkt aus einer defensiven Position heraus – erobert. Der Gebirgszug im Norden Israels hatte Syrien stets einen militärisch-strategischen Vorteil verschafft. Der Golan ermöglicht nicht nur einen Beschuss Israels, beispielsweise mit Artillerie, auch eine Invasion lässt sich leichter bewerkstelligen, wenn die Höhen nicht erst gewonnen werden müssen, sondern bereits einen möglichen Ausgangspunkt darstellen. Das ist auch der Grund, warum Israel das Gebiet nach seinem Sieg im Jahre 1967 besetzt hielt. So wurde der von Syrien und Ägypten ausgehende Jom-Kippur-Krieg 1973 auch deshalb ein Desaster für die Angreifer, weil Israel im Norden über den Golan und im Südwesten über die strategische Tiefe der Sinai-Halbinsel verfügte. Diese hatte der jüdische Staat analog zu den Golanhöhen im Sechstagekrieg von Ägypten erobert. 

Der Blick nach Kairo lohnt sich auch, wenn man über eine Lösung des Konfliktes nachdenkt. So hatte Israel bereits neun Tage nach dem gewonnen Sechstagekrieg Ägypten und Syrien die Rückgabe des eroberten Gebietes im Gegenzug für einen Friedensvertrag angeboten. Beide Staaten schlugen dieses Angebot zunächst aus, die ägyptische Seite entschloss sich aber nach der erneuten Niederlage im Jom-Kippur-Krieg zur Aufnahme von Verhandlungen. Das Ergebnis war die vollständige Rückgabe des Sinai an Ägypten im Jahr 1979 – Ägypten hat seine Zusagen an Israel seit dem eingehalten, UN-Truppen sind abgezogen.
Gerade, weil die syrische Regierung sich nicht zu einer Sicherheitszusage bewegen lässt, ist die israelische Position auf dem Golan grundsätzlich absolut nachvollziehbar.

Ansonsten ist die Region wirtschaftlich eher unbedeutend, kaum vierzigtausend Menschen leben dort, etwa zur Hälfte Israelis und – im weitesten Sinne – Syrer. Ölvorkommen gibt es zwar, sie sind jedoch so gering, dass keine Firma das Öl mit Gewinn fördern könnte. Die Eingliederung der Golanhöhen in die israelische Verwaltung im Jahre 1981 wird zwar in ihrer Rechtmäßigkeit international angezweifelt. Außer Frage steht jedoch, dass dies das Leben der Menschen in dem betroffenen Gebiet zweifelsohne leichter und angenehmer gemacht hat.
Die Alternative? Auch formal in einem Kriegsgebiet zu leben.
So ist die israelische Souveränität schlicht eine Tatsache, die von den meisten Akteuren bis her de facto, nicht aber de jure anerkannt war.

Das ändert sich jetzt. Mit seiner Entscheidung bringt Präsident Trump Schwung in eine Angelegenheit, über die man in europäischen Regierungskreisen eigentlich noch gerne weiter ein bisschen geschwiegen hätte. Fraglich ist jedoch, ob dieses Vorgehen von Seiten der USA der Stabilität in der Region langfristig zuträglich ist. Auf den Pfad des Bilateralismus, den Donald Trump deutlich vernehmbar beschreitet, werden ihm die europäischen Verbündeten kaum folgen wollen. Die Einseitigkeit der Entscheidung droht, den Konflikt eher anzuheizen und ruft im besten Fall Trotzreaktionen hervor. Nur ein Friedensvertrag zwischen Syrien und Israel, eingebettet in ein starkes multilaterales Konstrukt, bedeutet wirkliche Sicherheit für die Region. Es wäre an allen Beteiligten, im Zuge der anstehenden Neugestaltung einer Zukunft für Syrien auch dieses Thema mit auf die Agenda zu packen. Zudem profitiert Israel von der Anerkennung seiner Souveränität über den Golan nur dann nennenswert, wenn eine Vielzahl von Staaten sich dem anschließen – dabei wäre für viele Nationen der erste Schritt, überhaupt Israels Existenzrecht anzuerkennen. Hier müssen auch die Europäer sich mehr engagieren. Klar ist, dass der US-Präsident mit seinem unilateralen Vorgehen die transatlantische Allianz weiter belastet. Alle Beteiligten sollten die neu gewonnene Aufmerksamkeit zügig nutzen, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten – und Deutschland und Amerika dabei möglichst mit einer Stimme sprechen.

 

Bildquelle: Mosque Golan Heights Israel. Bomb damage from the Yom Kippur War. Tee Cee.CC 2.0.

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