No Collusion, No Obstruction, No Infrastructure

Es gibt Wochen, da besteht unsere Aufgabe bei Transatlantic Takes allein darin, Euch Nachrichten näherzubringen, die Ihr ohnehin gelesen habt. Dann gibt’s aber auch Wochen, in denen genau das Gegenteil der Fall ist, um es mit dem geschassten Vizekanzler Österreichs auszudrücken. Das bringt uns auch zum Kern des Anliegens: In einer Woche voller Rücktritte gilt es auch für uns, den Wust an Sensationsmeldungen über Theresa May, Sebastian Kurz und auch noch die Wahlen zum Europäischen Parlament beiseite zulegen.

Denn wie auch im scheinbar vierten Jahr der Ermittlungen gegen Kandidat und Präsident Trump die smoking gun verschwunden bleibt – abgesehen davon, dass man sich ja nicht einmal darauf einigen kann, wer denn angeschossen wurde – gibt es einfach slow news cycles. Wochen, in denen man eigentlich durchatmen könnte. In denen einmal kein Hut brennt. Aber damit wir auch heute – bedingt durch den gestrigen Memorial Day um einen Tag verspätet – Euch ein paar Beobachtungen liefern können, haben sich unsere US-amerikanischen Freunde doch einiges einfallen lassen. Enjoy! – as always.

Happy Memorial Day?

In den nicht gerade an gesetzlichen Feiertagen und Urlaubstagen reichen Vereinigten Staaten kommt jedem Feiertag schon von sich aus eine höhere Geltung zu als etwa in Deutschland oder Österreich. Und während manche Feiertage wie etwa die Geburtstage von Präsident Washington (18. Februar) und Martin Luther King, Jr. (21. Januar) auch durch eine gewisse Ruhe der Politik bestechen, ist das beim Memorial Day grundlegend anders. Genauso wie der im November stattfindende Veterans Day dreht er sich um das Andenken an Angehörige der US-Streitkräfte – anders als Veterans Day geht es aber betont um die im Dienst gefallenen oder in Gefangenschaft geratenen Soldaten.

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Wie fröhlich kann ein Trauertag sein, der mittlerweile die Sommersaison mit brutzelnden Grills einläutet? (Quelle: US-Verteidigungsministerium, gemeinfrei)

Vereinfacht gesagt ist Memorial Day eine stärker aufgeladene Version des Volkstrauertags. Wir würden, auch wenn es sich um einen Feiertag handeln würde, wohl keinen frohen Volkstrauertag wünschen. Dass der Tag in den USA traditionell den Beginn der Sommersaison einläutet und mit Grillfesten, Konzerten und dem Indianapolis 500-Rennen begangen wird, führt aber auch im politischen Washington vielleicht zu einem anderen Eindruck – und so wünscht auch der Präsident auf der Rückreise aus Japan einen Happy Memorial Day! – kann man ja mal machen. Im letzten Jahr gab’s dafür übrigens Schelte aus den Medien. Das lag aber daran, dass Präsident Trump die Gelegenheit nutzte, sich selbst zur gut laufenden Wirtschaft zu gratulieren:

What’s Your Adversity Score?

Ein paar Monate ist’s her, da hatten wir einen ersten Blick auf die Geschichte der US-amerikanischen Colleges geworfen. Vor mehr als 300 Jahren waren die kolonialen Colleges zwar schon Kaderschmieden, aber im Gegensatz zu einer Zeit, in der aus Nichtschwimmern Leistungssportler gemacht werden (here’s to you, USC), brauchte es außer Geld… ja, wenig. Wer heute nicht Ruhm und Ehre seines Colleges am Sportplatz zu vergrößern vermag und auch keine Bibliotheken aus dem Ärmel schütteln kann, dem bleibt wohl oder übel nichts übrig, als seiner Bewerbung gute Testergebnisse beizulegen.

President Donald J. Trump and First Lady Melania Trump visit with former President George W. Bush and former First Lady Mrs. Laura Bush
Hatten bei ihrer College Admission gut lachen: Präsident Trump und Präsident George W. Bush (Quelle: Weißes Haus, gemeinfrei)

Dass die erforderlichen Leistungsniveaus unterschiedlich bemessen werden, sorgt aber laufend für Probleme. Der Messung zugrunde liegt der SAT, ein standardisierter Test, der die Eignung zum Studium messen soll. Standardisiert heißt dabei aber nicht, dass alle Bewerberinnen und Bewerber gleich behandelt werden – und so ergeben sich für verschiedene Ethnien ganz unterschiedliche Anforderungen, die im Fall der Harvard University ganz deutlich werden: Dort erreicht der durchschnittliche asiatisch-stämmige Student ein Testergebnis pro Sektion von 767 Punkten (von 800), während der durchschnittliche afroamerikanische Student ein Ergebnis von 704 Punkten aufweist.

Einfach formuliert: Irgendwas stimmt da nicht, wenn man leistungsfähige Studienanfänger heranziehen möchte. Das sieht auch eine Gruppe insbesondere asiatisch-stämmiger Studienbewerber so, die sich darauf beruft, dass sie bei der Studienbewerbung unter stereotyper Behandlung leiden würden. Würde eine rein leistungsbasierte Bewertung stattfinden, so meinen sie, hätten sie zum Studium zugelassen werden müssen. Eine konservativere Lesart des Ganzen bietet dazu Campus Reform, eine progressivere Ansicht findet Ihr bei Slate.

Wie dem auch sei: Affirmative Action ist in aller Munde – denn um eine Gruppe künstlich zu bevorzugen, muss eine Gruppe Einbußen erfahren. Und in diese angespannte Gemengelage stoßen die Organisatoren des SAT, indem sie einen Adversity Score erfinden, der 15 Faktoren heranzieht, um die angebliche Privilegiertheit der Studienbewerber herauszufinden. Wie schlecht war die örtliche High School? Wie sieht’s in der Nachbarschaft und im Ort aus, wie viele Haushalte sprechen eine andere Sprache als Englisch als Muttersprache? Kern des Anliegens ist, die Ethnie ganz außen vor zu lassen – denn der zunehmend konservative Supreme Court könnte ethnisch basierte Affirmative Action in naher Zukunft für verfassungswidrig erklären.

Noch einfacher formuliert: Auch 15 Faktoren führen letztlich dazu, dass das Ergebnis auf ethnische Stereotypen herausläuft – denn im Einzelfall tatsächlich bestehende Benachteiligungen, etwa Alkoholismus in der Familie, häusliche Gewalt oder psychische Probleme treffen Angehörige aller races gleichermaßen – werden aber vollständig außen vor gelassen. Willkommen im Zeitalter des progressiven Redlining!

Redlining im klassischen Sinn: Gebiete werden nach ethnischen Merkmalen abgegrenzt, die Bewohner anschließend unterschiedlich behandelt (Quelle: US-Regierung, gemeinfrei)

Extremely Stable Genius vs. Crazy Nancy: Neue Runde, neues Glück?

Lyin‘ Ted. Little Marco. Low Energy Jeb! (nur echt mit dem Ausrufezeichen) – all diese Spitznamen sind Ausdruck dessen, wie sehr Präsident Trump es beherrscht, seine Rivalen in den Schatten zu stellen. In jüngerer Zeit hatte sich der extremely stable genius dabei im Vergleich zur Vorwahlsaison fast schon zurückgenommen:

Aber wir hätten es ja fast vergessen: Zumindest bei den Demokraten geht die Vorwahlsaison in wenigen Wochen in die erste heiße Phase und entsprechend scheint auch der Präsident das für Spitznamen verantwortliche Scharnier im Kopf geölt zu haben. Crazy Nancy, hinter der sich Speaker of the House Nancy Pelosi (D-CA) verbirgt, scheint den Präsidenten auf die Palme gebracht zu haben. Womit? Nicht etwa mit dem Mueller Report, sondern mit einem scheinbar gescheiterten Versuch, eine Einigung für geplante Infrastrukturmaßnahmen zu erzielen.

Wir erinnern uns: Irgendwann in der ersten Amtszeit soll eine Billion US-Dollar – $1,000,000,000,000 – für den Auf- und Ausbau der US-amerikanischen Infrastruktur bereitgestellt werden – denn während der Autor sich im Spätsommer über die vielen Schlaglöcher zwischen Nantucket und Boston mokiert, gibt es Teile der Vereinigten Staaten, in denen nach einem Tornado in fünf Millionen Haushalten das Licht aus ist.

Um das Problem zu lösen und um im flyover country Stimmen zu sammeln, hatte Präsident Trump verkündet, es würde eine überparteiliche Lösung erzielt werden. Nun – seit letzter Woche wissen wir: Das gilt nur, wenn alle Ermittlungen eingestellt würden. Weil sich aber auch weiterhin alles im Fluss befindet, ist es genauso wahrscheinlich, dass wir letztlich Ausgaben von $2,000,000,000,000 sehen werdenStatus quo bleibt aber: No collusion, no obstruction, no infrastructure spending.

Und tatsächlich: Unabhängig davon, ob government spending einem die Haare aufstellt oder nicht – hier muss gehandelt werden. Wie handelt der Präsident? Er lässt $928,600,000 erst einmal nicht auszahlen und verlangt $2,500,000,000 zurück aus Kalifornien, wo an einer Hochgeschwindigkeitszugstrecke gearbeitet wird.

 


Titelbildquelle: President Trump Delivers Remarks in the Rose Garden, gemeinfrei

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