Unsere letzte week in review schien so manchen Leser erstaunt zu haben. Offenbar herrschte blankes Entsetzen darüber, dass wir den Präsidenten nicht für jede Entscheidung loben würden. Hands down: Lob, wem Lob gebührt. Wir sind allerdings nicht die einzigen Kommentatoren, denen es so geht: Auch das Wall Street Journal, das die wirtschaftspolitischen Entscheidungen des Präsidenten eher positiv kommentiert, findet mal kritische Worte:
The biggest economic risk of a Donald Trump Presidency has always been that his trade obsessions would swamp the benefits of tax reform and deregulation. For two years he has kept his worst protectionist impulses mostly in check, but as he seeks a second term we are now seeing Tariff Man unchained. Where he stops nobody knows, which is bad for the economy and perhaps his own re-election.
Tariff Man Unchained, in: Wall Street Journal
Und so ist es tatsächlich eine interessante Strategie, die Präsident Trump verfolgt: Um die rapide ansteigende Zahl illegaler Migranten einzudämmen, die die mexikanisch-US-amerikanische Grenze überqueren, braucht es die Mithilfe des südlichen Nachbarn. Die seit Jahresbeginn stark steigende Zahl aufgegriffener Illegaler zeigt unmissverständlich, dass es an dieser Hilfe fehlt: Mehr als 347.500 Personen wurden allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres von den Behörden identifiziert.
Verärgert darüber, dass Mexiko zu wenig unternimmt, griff Präsident Trump nun zu einer harten Maßnahme. Ganz nach seinem Stil ließ er Strafzölle auf mexikanische Importe verhängen – diese würden ab dem 10. Juni in Kraft treten und zuerst 5% des Warenwerts ausmachen. Unternimmt Mexiko nichts gegen die illegale Migration bzw. ist das aus Sicht des Weißen Hauses nicht genug, würden die Zölle in jedem Monat um 5% ansteigen, bis sie im Oktober einen Faktor von 25% erreichen würden.
Und wie ist das mit NAFTA bzw. dem noch zu ratifizierenden USMCA-Abkommen vereinbar? Good Question, next question. Sollte im Oktober tatsächlich die höchste Stufe an Strafzöllen erreicht werden, wären die Einfuhrzölle jedenfalls höher als vor dem Inkrafttreten von NAFTA. Die präsidiale Strategie dahinter ist klar erkennbar: Beträchtliche Teile der versprochenen Vorhaben Trumps drehen sich um eine Neuregelung der Einwanderungs- und Handelspolitik. Da hier in den letzten Monaten wenig Erfolg erzielt wurde (der auf jeden Fall diskussionswürdige Entwurf zur Neuregelung der legalen Einwanderung bleibt so etwa weitgehend unbeachtet), werden beide Felder verknüpft.
Kann diese Strategie überhaupt aufgehen? Darauf deutet einiges hin – und so trifft schon am Mittwoch eine mexikanische Delegation in Washington ein, um eine deutliche Anwendung der eigenen Einwanderungsgesetze den US-Amerikanern darzulegen. Da 80% der mexikanischen Exporte in die Vereinigten Staaten gehen – es handelt sich um 28% des mexikanischen BIP –, dürfte bei aller rhetorischen Härte, die Präsident López Obrador von sich gibt, eine möglichst rasche Beilegung des Streits von größtem Interesse sein. So könnte der Dealmaker-in-Chief doch noch sein Ziel erreichen und den Strom illegaler Einwanderung zumindest teils zum Versiegen bringen.
Die Zukunft des Electoral College
Vor einigen Wochen haben wir einen Blick auf die Debatte um das Electoral College geworfen – zur Erinnerung: Abhängig von der Bevölkerungszahl entsenden die fünfzig Bundesstaaten eine unterschiedliche Anzahl Wahlmänner in das Kollegium, das letztlich den Präsidenten wählt. Ausschlaggebend für die jeweilige Wahlentscheidung ist das Ergebnis im Bundesstaat, der vom elector vertreten wird – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Das Auseinanderfallen der Bevölkerungsmehrheit und der Wahlmännermehrheit sorgt auf Verliererseite natürlich für Unmut, weshalb eine geringe, aber wachsende Anzahl von Bundesstaaten sich der National Popular Vote–Bewegung anschließt. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Bundesstaaten ihre Wahlmänner für den Kandidaten stimmen lassen sollen, der auf Bundesebene eine Mehrheit der Wähler hinter sich vereinen kann.
Aber warum ist das jetzt wichtig? Die Wahlmännerverteilung führt dazu, dass kleine Bundesstaaten überproportional vertreten sind – so entfallen auf einen elector aus Wyoming 142.000 Stimmen, auf einen aus New York jedoch 520.000. Das ärgert insbesondere Anhänger der Demokraten, die tendenziell in Ballungsräumen höhere Zustimmungsraten erzielen. Und genau gegen diesen Trend stellt sich nun der demokratisch regierte Bundesstaat Nevada. Denn Gouverneur Sisolak legte ein Veto ein gegen einen Gesetzentwurf, der die Stimmen der sechs Wahlmänner an die bundesweite Mehrheit gebunden hätte:
My statement on #AB186: Over the past several weeks, my office has heard from thousands of Nevadans across the state urging me to weigh the state’s role in our national elections. After thoughtful deliberation, I have decided to veto Assembly Bill 186. (1/)
— Governor Sisolak (@GovSisolak) May 30, 2019
Dass der Sozialismus nicht die Antwort ist…
…gilt nicht nur innerhalb der USA als Binsenweisheit. John Hickenlooper, einer der zahlreichen Anwärter für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten stellte dies während einer Rede fest. Und sah sich kurzerhand mit Buhrufen aus der Menge des Parteitags in Kalifornien konfrontiert.
Wenngleich das Feld der demokratischen Bewerber zwar nicht wächst, deutet wenig darauf hin, dass es bald kleiner wird. Eine wachsende Anzahl an Kandidaten macht in den regelmäßigen E-Mails aber deutlich, dass es an Geld mangelt – und das, obwohl die Teams rund um die Kandidaten im Vergleich zu 2016 noch sehr klein scheinen.
Kultur
Nichts Neues gibt es bei den Musikcharts – hier geht „Old Town Road“ bereits in die achte Woche auf Platz eins. Und im Fernsehen? Jetzt, da Game of Thrones zu Ende ist, braucht es natürlich neue Serien – wärmstens zu empfehlen ist dabei für all diejenigen, die weiter auf das Talent der Drehbuchautoren bei HBO vertrauen wollen, der Fünfteiler Chernobyl, der auf das sowjetische Reaktorunglück eingeht und dessen letzte Episode heute Abend in den USA gezeigt wird.
Titelbild: Präsident Trump bei der Unterzeichnung des USMCA-Abkommens, gemeinfrei