Die Initiative Junge Transatlantiker lebt von einer offenen Debattenkultur. Deshalb stellen wir euch in dieser zweiteiligen Artikelserie konträre Positionen zur aktuellen Situation in der Straße von Hormus vor. In diesem ersten Teil argumentiert David Stellmacher gegen eine deutsche Beteiligung an einer militärischen Mission und plädiert für eine europäische Lösung. In einer Antwort wird Chris Becker die deutsche Zurückhaltung kritisieren.
Nach der offiziellen Anfrage aus den Vereinigten Staaten, die deutsche Marine möge sich an einer militärischen Mission in der Straße von Hormus beteiligen, geht die Diskussion hoch her: Während manche Außenpolitiker fordern, der Bitte sei nun umgehend zu entsprechen, mahnen andere zur Vorsicht. Jedenfalls gibt es gute Gründe, der deutschen Beteiligung an einem Einsatz der US-Navy skeptisch gegenüberzustehen.
Nur wenige Militärmissionen dürften so erfolgreich verlaufen sein wie die Operation Ernest Will im Jahr 1986. Nachdem Iran im Iran-Irak-Krieg zahlreiche Tanker und Handelsschiffe attackiert hatte, griffen die Vereinigten Staaten ein. Nach einer offiziellen Bitte Kuwaits beorderte die US-Navy einen Flugzeugträger, vier Zerstörer, einen Kreuzer und vier Fregatten in die Straße von Hormus. Der größte Schutzeinsatz der Navy seit dem Zweiten Weltkrieg führte in gut einem Jahr dazu, dass rund 300 Öltanker die Meerenge von Hormus ungehindert passieren konnten.
Dass US-Truppen überdies Stützpunkte der Iranischen Revolutionsgarden an der Küste zerstörten, führte maßgeblich zu einem Ende des jahrelangen Krieges zwischen Irak und Iran. In nur einem Jahr sicherte der Einsatz nicht nur Öllieferungen für die westliche Welt, sondern mittelbar auch ein Ende des Iran-Irak-Krieges.
Eine neue geopolitische Situation
Es ist wohl der erfolgreiche Ausgang jener US-Mission Ende der 1980er Jahre, der heute auch deutsche Außenpolitiker dazu verleitet, der amerikanischen Bitte überaus wohlwollend zu begegnen. Dabei ist die geopolitische Ausgangslage eine gänzlich andere als noch vor knapp drei Jahrzehnten. Während damals der Iran-Irak-Krieg seit Jahren gewütet und der Iran auch zivile Handelsschiffe attackiert hatte, ging der aktuellen Krise ein monatelanges Hin und Her zwischen Teheran und Washington voraus. Dass die eher undiplomatische Art von US-Präsident Trump den Konflikt nicht gerade einhegen konnte, ist wohl zuvorderst den Europäern schmerzlich bewusst. Auch wenn das Aufkündigen des Atomabkommens ein richtiger Schritt war, folgen die rhetorischen Scharmützel zwischen den iranischen Mullahs und Präsidenten Trump einer kruden Logik der Eskalation.
Es ist mithin besonders die mangelnde Berechenbarkeit des Konflikts und seiner Akteure, die Europäer zu besonderer Zurückhaltung mahnen sollte. Auch wenn Iran zweifelsohne als unmittelbarer Aggressor auftritt, sollte bei unseren Bündnispartnern auf mittelbare Mäßigung hingewirkt werden.
Gezielte Provokationen statt fester Blockade
Zumal sich auch die Aggressionen der iranischen Revolutionsgaren bisher nur auf punktuelle Ereignisse beschränken. Ob bei den Angriffen auf einzelne Tanker britischer Reedereien oder bei der Entführung eines Tankers in iranische Gewässer: Es ist offensichtlich, dass diese Provokationen – so dezidiert feindlich und aggressiv sie auch sein mögen – auf den gegenwärtigen diplomatischen Diskurs rund um das aufgekündigte Atomabkommen abzielen. Ganz offenkundig wollen die iranischen Theokraten durch Attacken diplomatisches Gewicht hinzugewinnen. Auch solche einzelnen Attacken sind selbstredend völkerrechtswidrige Aggressionen – doch sollten sie ebenso als solche einzeln behandelt werden.
Die Qualität der Konfrontation in den 1980er Jahren ist bisher nicht erreicht. Eine umfassende Marinemission könnte von der iranischen Propaganda zudem rasch als westliche Aggression umgedeutet werden. Hinzu kommt die mangelnde Berechenbarkeit innerhalb der reichlich intransparenten iranischen Strukturen. Während Präsident Rohani zwar die Armee kommandiert, führen die Elite-Truppen der Revolutionsgarden einen ungleich ideologischeren Kampf und pflegen eigene Hierarchien, die von der iranischen Regierung unabhängig Bestand haben.
Probleme bei der Deutschen Marine
Über die geopolitischen Bedenken gegen einen solchen Einsatz hinaus stehen auch ganz praktische Erwägungen einer deutschen Beteiligung entgegen: So zum Beispiel der schlechte Zustand der Deutschen Marine. Von 15 Fregatten sind jüngst sechs Stück außer Dienst gestellt worden – auf die neuen 125er-Modelle wartet die Truppe indes länger als geplant. Auch bei den für lange Einsätze sehr wichtigen Einsatzgruppenversorgern stehen Werftzeiten neuen Einsätzen entgegen.
Die übrigen Korvetten und Fregatten sind größtenteils bereits heute bei verschiedenen Einsätzen im Mittelmeer, im Atlantik und in der Ostsee im Einsatz. Nicht einmal die aktuellen Nato-Verpflichtungen kann die Marine vollständig erfüllen. Die großen Probleme der Marine sind im politischen Berlin indes seit langem bekannt – dennoch streiten sich die Koalitionäre seit Monaten über die mittelbare Finanzierung der Truppe. Wenn noch nicht einmal bestehende maritime Nato-Verpflichtungen erfüllt werden können und zugleich keine Sprünge bei der Finanzierung in Aussicht stehen, scheint ein weiterer Großeinsatz ziemlich illusorisch.
Europa sollte Verantwortung übernehmen
Auch wenn die Probleme der deutschen Seestreitkräfte auf den ersten Blick nichts mit der amerikanischen Bitte um Beteiligung in der Straße von Hormus zu tun haben, spiegeln sie doch exemplarisch einen Diskurs der deutschen Politik wider. Deutschlands Rolle in der Welt wird im politischen Berlin heiß diskutiert – aber schlussendlich nicht in Beschlussfassungen definiert. Bevor ein neuer Einsatz im Nahen und Mittleren Osten angestrengt wird, sollte in Regierung und Parlament ein Konsens gefunden werden, ob sich Deutschland – wie eine große neutrale Schweiz – aus der Weltpolitik heraushält oder ob man endlich bereit ist, Verantwortung auch für den freien Welthandel zu übernehmen.
Eine solche Klärung sollte auch im Interesse der betroffenen Soldatinnen und Soldaten schnellen militärischen Entscheidungen vorausgehen. Diese ja zuvorderst sicherheitspolitische Verhältnisbestimmung kann nicht vonstattengehen ohne eine europäische Verortung. Genau dieser Vorschlag wurde im politischen Berlin jüngst fraktionsübergreifend heiß diskutiert: Eine Schutzmission unter europäischem Mandat. Dazu hat sogar die sicherheitspolitisch notorisch schüchterne SPD vorsichtig Zustimmung signalisiert. Eine solide Schutzmission in der Straße von Hormus unter europäischem Mandat wäre also in jedem Falle die bessere Alternative. Eine solche böte endlich die Chance, sicherheitspolitische Verantwortung zu übernehmen – ohne dabei in den gefährlichen Dualismus zwischen Trump und den Mullahs hineingezogen zu werden.
Titelbild: A USA Embassy Graffiti in Tehran, Iran. CC 2.0.
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