Die Initiative Junge Transatlantiker lebt von einer offenen Debattenkultur. Deshalb stellen wir euch in dieser zweiteiligen Artikelserie konträre Positionen zur aktuellen Situation in der Straße von Hormus vor. Im ersten Teil argumentierte David Stellmacher gegen eine deutsche Beteiligung an einer militärischen Mission. In dieser Widerrede kritisiert Christian Becker die Zurückhaltung Deutschlands und die mangelnde Bereitschaft zum Engagement gegenüber den westlichen Alliierten.
It’s JCPOA-time again. Das Atom-Abkommen lässt grüßen. Die unterschiedlichen Reaktionen auf das Vorgehen der iranischen Revolutionsgarden in den internationalen Gewässern der Straße von Hormuz zeigen, wie verschiedenartig gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Ziele der USA und der Europäer, vor allem der Bundesrepublik, verfolgt werden. Diese Uneinigkeit belastet erneut das transatlantische Verhältnis.
Und wie auch in der eng mit diesem Sachverhalt verbundenen Frage des Atomabkommens sind es die Vereinigten Staaten, die eine harte Haltung vertreten. Die aktuelle Administration gefällt sich zweifelsohne in der Rolle des „Harten Hundes“.
Die Deutschen jedoch mahnen wie gewohnt zur Zurückhaltung. Dabei sind die Staaten der EU wirtschaftlich viel eher auf eine sichere Passage der Straße von Hormuz angewiesen, als die durch „Fracking“ von Ölimporten überwiegend unabhängigen USA.
In Washington aber spielen sicherheitspolitische Erwägungen die größere Rolle – dort will man um jeden Preis vermeiden, dass der Iran eine zu große Macht in der Region projiziert. Das schafft selbst Amerika am ehesten im Verbund. Am vergangenen Mittwoch hatte man deshalb unter anderem in Berlin die Unterstützung einer gemeinsamen Marinemission erbeten. Die deutsche Reaktion darauf ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Erstaunlich schwach.
Mangelnde Opferbereitschaft
Das liegt zum einen daran, dass in der Großen Koalition verhältnismäßige Einigkeit herrscht. Während die Union sich etwas weniger vehement äußert als die SPD, ist man durch die Regierungsbank der Meinung, eine gemeinsame Mission mit den USA sei nicht machbar. Eine klare Absage kam deshalb von Außenminister Maas. Das sähen auch die Partner in Paris so; man wolle keine militärische Eskalation.
Zu dieser, der deutsche Außenminister hielt sich schließlich in Warschau auf, gehören aber bekanntermaßen nicht immer zwei: Es ist der Iran, der die Schifffahrt in internationalen Gewässern vorsätzlich stört und damit gerade die Staaten trifft, die bisher für Mäßigung in Fragen der Iranpolitik eintraten. Vizekanzler Scholz formulierte seinerseits, dass man nicht „schlafwandlerisch“ in einen Konflikt hineingeraten wolle. Dabei ist es gerade diese Zögerlichkeit, die dem Iran eine andauernde Verschärfung der Sicherheitslage ermöglicht – und sicherheitspolitisches Schlafwandeln eher ein Markenzeichen der deutschen, als der amerikanischen Administration. Ohnehin bestehen durch NATO und EU diverse Bündnisverpflichtungen. Das offenbart eine schockierende Unkenntnis, eher Ignoranz, militärischer Sachfragen. Dazu gehört auch der Versuch, der deutschen Öffentlichkeit weismachen zu wollen, ein internationaler Einsatz auf See wäre sowohl unzweifelhaft der Auftakt zu einer militärischen Auseinandersetzung, als auch definitiv mit der Entsendung eines deutschen Kriegsschiffes verbunden. Beides ist falsch.
Manchmal ist weniger nicht mehr, sondern nur zu wenig
Zunächst bedeutet eine militärische Mission keineswegs den Einsatz von Waffengewalt, sondern eine verstärkte Präsenz und Überwachung der Region. Konkret meint das den Schutz der zivilen Schifffahrt, die Verhinderung unklarer rechtlicher Situationen und den Einsatz von Drohnen und bemannten Luftfahrzeugen, um der Weltöffentlichkeit ein klares Lagebild zur Verfügung zu stellen. Und natürlich kann Deutschland sich daran beteiligen, auch ohne eine seiner Fregatten zu entsenden. So verfügt die Marine über acht Flugzeuge des Typs Lockheed P-3 Orion, die auch „fliegendes Auge“ genannt werden. Ebenso können unbewaffnete Drohnen der Luftwaffe oder Transport-, Logistik- und Sanitätskapazitäten der Bundeswehr einer internationalen Mission zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus zählen deutsche Boarding-Teams zu den vorbildlichsten der Welt. Vor der somalischen Küste haben die Soldaten ihre absolute Professionalität und Einsatzbereitschaft mehrfach unter Beweis gestellt.
Scholz trifft insofern unabsichtlich den Nagel auf den Kopf, dass Zeit der kritische Faktor in dieser Angelegenheit ist – wenngleich er genau in die andere Richtung argumentiert. Denn selbstverständlich können die Revolutionsgarden weitere Schritte unternehmen, um den internationalen Handel empfindlich zu treffen. Die größte und berechtigte Sorge ist hierbei, dass sie die Straße von Hormuz und die Meerenge von Bad al-Mandab dauerhaft blockieren könnten – möglicherweise auch mit leicht auszubringenden Minen. Dazu hat der Iran in der stellenweise nur drei Kilometer breiten Fahrrinne klar die Fähigkeit. So leicht sie platziert sind, so schwer sind sie zu beseitigen. Denn Minen zählen zu den geduldigsten und nachhaltigsten Waffensystemen. Wie aufwändig und langwierig ihre Räumung in der Regel sein kann, zeigte und zeigt sich in nahezu allen militärischen Konflikten der Geschichte. Dabei gehören Seeminen, sind sie erst einmal ausgebracht, zu den am schwierigsten zu beseitigenden Kampfmitteln überhaupt. Diese besondere und gefährliche Art der Nachbereitung militärischer Auseinandersetzungen ist allemal komplizierter als die Verhinderung der Ausbringung im Vorfeld. Denn spätestens dann ist die gesamte Weltgemeinschaft betroffen und gefragt – auch die asiatischen Staaten, an die der Großteil des Öls aus dem Mittleren Osten geliefert wird.
Dabei ist es selbstverständlich möglich, den Einsatz von Minen mit diplomatischen Mitteln zu verhindern. Sicherer und erfolgsversprechender ist es jedoch, durch eine Seeraumüberwachung den Iran davon abzuhalten, derartige Schritte einzuleiten. Oder zumindest einen solchen Völkerrechtsbruch, wie auch den Versuch dazu, glaubhaft zu dokumentieren. Eine internationale Mission zur Sicherung der Seewege ist daher im Interesse aller Staaten. Denkbar wäre sogar, den Iran in eine solche Operation einzubinden, wofür die UN den idealen Rahmen bietet. Die für den Welthandel so entscheidende Straße von Hormuz offen und für Seeleute sicher zu halten, ist aber unzweifelhaft vernünftig. Es bleibt daher die Frage, ob nicht der Einsatz der Marine generell ein Problem darstellt, sondern viel eher die Teilnehmerliste. Hier endet militärische Sicherheit, hier beginnt Politik.
Abwehrreflex made in Germany
Es scheint, den Ausschlag gibt für die deutsche Regierung nicht die Bewältigung einer internationalen Operation, sondern schlicht die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten darum gebeten haben. Der wahre Grund für das deutliche „Nein“ liegt in innenpolitischen Erwägungen – eine trotzige Haltung gegenüber dem US-Präsidenten. Dies gewichtet man in Berlin stärker als die Sicherheit der Schiffsbesatzungen und Bündnispartner. Die Erklärung, über eine Mission ohne Beteiligung der USA könne man reden, ist ein Offenbarungseid. Das klingt beinahe so, als wäre man nicht engste Verbündete, sondern Kontrahenten.
Jede Möglichkeit aber, durch eine deutsche Beteiligung gleichzeitig für eine Mäßigung der Situation vor Ort einzutreten, wird dadurch bereitwillig verworfen. Diese Haltung ist von Grund auf falsch und sollte mit Nachdruck überdacht werden. Das moralische Überwasser kann für die deutschen und europäischen Interessen schnell zum Hochwasser werden. Denn nur wer selber auf dem Platz steht, kann mitbestimmen, wie eine Krisensituation im Zweifel verlaufen wird. Das gilt gerade für jene, die Washington eher wenig Vertrauen entgegenbringen. Vernünftige, auch konstruktiv kritische Sicherheitspolitik geht auch hier nur mit den USA zusammen, unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Am Ende nützt die geradezu kultivierte Uneinigkeit mit den USA nur den Hardlinern im Iran. In Teheran kann man, wie es scheint, nicht nur eine Meerenge schließen, sondern auch einen Keil zwischen globale Mächte treiben. Das sollten Transatlantiker, für die der Ozean seit jeher eine Brücke und keinen Graben darstellt, nicht akzeptieren.
Titelbild: Die Deutschlandfahne. Sie hängt herunter. Symbolisiert sie tatsächlich die deutsche Einsatzbereitschaft? CC 2.0.