„Wie könnt Ihr es wagen…?“ – das fragen sich nicht nur die jungen Leute, die Probleme mit einem goldenen Oktober und annehmbaren Temperaturen haben. Auch wir stellen in unserer week in review dieselbe Frage – diesmal an Sen. Liz Warren, MSNBC, die türkischen Streitkräfte und einen kalifornischen Stromversorger. Enjoy!
Lucius-D.-Clay-Medaille für einen echten Amerikaversteher
Was ist den Neuigkeiten der week in review zumeist gemein? Sie spielen sich in den Vereinigten Staaten ab. Wir kuratieren und kommentieren die wichtigen Ereignisse kurz und knackig. Das geht aber natürlich auch anders. Ein glänzendes Beispiel dafür, wie ein deutscher Beobachter einem hiesigen Publikum die Vereinigten Staaten greifbarer macht und erklärt, ist Dr. Christoph von Marschall, der am vergangenen Samstag die Lucius-D.-Clay-Medaille des Verbands der Deutsch-Amerikanischen Clubs (VDAC) erhielt. Why does it matter? Nicht nur sind wir als junge Transatlantiker Mitglieder im VDAC, wir freuen uns auch, dass Preisträger und Laudator das Engagement rund ums Verständlich-Machen der USA als wichtiger denn je einschätzen. Letzterer war übrigens Sigmar Gabriel MdB, der ein starkes Plädoyer für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit hielt.

Showdown der Sozialisten
Wie unterscheiden sich Sen. Sanders (I-VT) und Sen. Warren (D-MA)? Dieser Frage sind beide Kandidaten für die demokratische Präsidentschaftskandidatur in den letzten Monaten gerne aus dem Weg gegangen. Nicht ganz ohne Grund, stellte sie doch auch einen Nebenkriegsschauplatz dar: Joe Biden hatte die Kandidatur doch schon fest in der Tasche. Oder auch nicht. Für den demokratischen frontrunner sieht es zunehmend düster aus – auch die New York Times geht etwa auf das moralische Dilemma rund um seinen Sohn Hunter ein – und entsprechend ist Sen. Elizabeth Warren zunehmend das Ziel besonderer Aufmerksamkeit.
Während die Senatorin Repliken etwa von Marco Rubio pariert oder gleich direkt ignoriert, scheint es unausweichlich zum Showdown der Sozialisten zu kommen. Gemeinsam kommen Warren und Sanders auf einen beträchtlichen Vorsprung vor Joe Biden – und so scheint es nur logisch, dass die ideologisch recht ähnlichen Kandidaten auch im Unterstützerfeld ihrer fellow democratic Socialists fischen möchten. Glaubt man etwa Bernie Sanders, ist er nicht nur der einzige Kandidat, der es mit der ruling class aufnehmen möchte (das breite Spektrum zwischen Vermögensbesteuerung und Fallbeil wird dabei aber nicht genauer beschrieben). Im Gegensatz zu ihm sei Liz Warren auch durch und durch Kapitalistin! Um es mit der verhinderten Friedensnobelpreisträgerin aus Schweden zu halten: How dare you?
How dare you?
„How dare you!?“ heißt es nicht nur vor den Vereinten Nationen, sondern auch auf MSNBC. Schneller als mit einer Erwähnung von Hunter Biden könnt Ihr nämlich nicht vom progressivsten aller Sender abgewürgt werden. Das kritisieren auch einige Stimmen, die für The Hill einen Blick darauf werfen, was Hunter Biden objektiv gemacht hat. Der Autor bedauert, dass er es mit dieser honorable mention des Vizepräsidentensohns wohl weder zu Chuck Todd noch zu Rachel Maddow schaffen wird. Ach, Rachel, wir erinnern uns noch:
„This is your life now“ gilt entsprechend auch für die journalistische Praxis, ungewollte Themen und diejenigen, die sie aussprechen, einfach vom Mikrofon fernzuhalten. Aber warum ist MSNBC der progressivste Sender und nicht CNN? Nun, MSNBC gibt seinen Namen nicht für einen türkischen affiliate broadcaster her, der so ganz und gar nicht im Sinn der US-Progressiven berichtet.
Ganz anders hält es CNN Turk. Dort wird entweder gleich gar nicht über den Einmarsch türkischer Streitkräfte in Syrien berichtet – oder aber westliche Beobachter werden in niederträchtiger, teils rassistischer Weise verächtlich gemacht.
Amerikanischer Truppenabzug?
Ziehen die US-Amerikaner jetzt aus Syrien ab? Oder wird Präsident Trump doch die türkische Wirtschaft ins Visier nehmen, nachdem die türkischen Streitkräfte die US-Armee gleichsam ins Visier genommen hatten? Hands down: Das Vorgehen der US-Amerikaner ist diskussionswürdig – auch der ehemalige US-Verteidigungsminister Mattis hinterfragt die Entscheidung. Was aber nicht sein darf, ist friendly fire auf NATO-Verbündete. Zum Abzug selbst sei der Präsident zitiert:
Die fünftgrößte Volkswirtschaft und ihre Probleme
Wäre Kalifornien ein unabhängiger Staat, wäre dieser wohl die fünftgrößte Volkswirtschaft der Erde. Darauf sind die Kalifornier natürlich stolz – und deshalb ist dieser Stammtischfakt auch weit bekannter als die Tatsache, dass der Bundesstaat, der sich immer wieder selbständig machen möchte (#calexit, anyone?), diesen Wohlstand auf maroder Infrastruktur erschaffen hat. Denn während das Silicon Valley immer wieder technische Revolutionen anzettelt, scheint die revolutionäre Erfindung des fließenden Stroms weniger Bestand zu haben als etwa die Geräte der kalifornischen Technikschmieden.
Menschen sind auf Elektrizität angewiesen – das gilt insbesondere für öffentliche Einrichtungen und Krankenhäuser. Bei PG&E, einem Stromversorger, denkt man sich aber: We couldn’t care less! Entsprechend mussten in den vergangenen Tagen mehr als zwei Millionen Kalifornier in den sauren Apfel beißen, der da nunmal heißt: Absichtlicher Stromausfall. Der Bundesstaat verpflichtet die Betreiber von Stromleitungen, für Schäden aufzukommen, die etwa durch Funkenüberschlag ausgelöst werden. Bei PG&E hat diese Pflicht zu Verbindlichkeiten von mehr als 30 Mrd. US-Dollar geführt, die nur durch Brände in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind.
Anstatt etwa dafür zu sorgen, dass weniger Bäume rund um die Trassen umstürzen und dabei Leitungen mit sich reißen können, kappt der Anbieter einfach die Stromversorgung. Neben einer Straßeninfrastruktur, die in den nächsten zehn Jahren einen Investitionsrückstau von mehr als 80 Mrd. US-Dollar erleiden wird, scheinen im Golden State einige Grundlagen des Zusammenlebens im 21. Jahrhundert nicht so ganz funktionieren zu wollen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage des Bundesstaats sollte sich auch der Gouverneur fragen: How dare you?
Zum Abschluss noch etwas Kultur
Lisman, Alabama – noch nie davon gehört? Dann geht es Euch wie wahrscheinlich allen US-Amerikanern außer den knapp fünfhundert Seelen, die dieses Dorf nahe der Grenze zu Mississippi ihre Heimat nennen. Mit der geringen Größe und der Lage gehen einige Herausforderungen einher, mit denen sich die Washington Post ausführlich auseinandersetzt und dabei ein Gefühl für das Leben fernab der urbanen, uns bekannten Vereinigten Staaten schafft. Lesen lohnt sich!
Titelbild: Official portrait and opening ceremony. Donald Trump (US President) and Recep Tayyip Erdogan (President of Turkey). NATO. CC 2.0.