Madness – zu deutsch mit „Wahnsinn“ zu übersetzen – die findet man dieser Tage so viel in Washington D.C., dass sie wohl bald ein eigenes Memorial bekommt. Ich helfe gerne mit, den Wahnsinn zu stoppen. Deshalb hat mein Vorredner Lukas sehr Recht.
Wir müssen den Wahnsinn stoppen. Aber wer stoppt den Wahnsinnigen?
Die Aufforderung „Inhalte statt Impeachment“ ist nicht völlig verkehrt, da er die Demokraten daran erinnert, dass laufende Prozeduren auf Bundesebene die inhaltliche Arbeit nicht ersetzen. Allzu gerne verstecken sich manche von ihnen hinter einem möglichen Impeachment und den Verfehlungen des Präsidenten, da diese von eigenen Unzulänglichkeiten ablenken. Deshalb ist es richtig, die Demokraten auf diese Weise in die Pflicht zu nehmen.
Die Integrität der Institutionen schützen!
„Inhalte statt Impeachment“ verknüpft allerdings zwei nicht verwandte Themen auf unzulässige Weise im Stile eines „entweder-oder“. Denn das Verfahren zum Ermöglichen einer Amtsenthebung ist eben kein geeignetes Mittel der politischen Auseinandersetzung, da es in seiner Natur weniger politisch als ethisch ist. Im Erfolgsfall ermöglicht es außerdem die Strafverfolgung, so hat das impeachment ebenfalls eine sehr wichtige juristische Dimension. Da spielt es auch keine Rolle, ob die nächste Wahl in 13, 23 oder 33 Monaten stattfindet. Oder ob andere sich ebenfalls Verfehlungen oder mögliche Rechtsbrüche leisten. Unrecht bleibt Unrecht, und die Ethik kennt keine Frist.
Unrecht bleibt Unrecht
Die Frage nach einem Impeachment sollte also weder vom Standpunkt der Demokraten noch dem der Republikaner aus beantwortet werden, sondern aus einer dritten Perspektive: Aus der Perspektive der Verfassung und der Institutionen der Republik. Diese zeitlosen Einrichtungen sind niemand anderem verpflichtet als den Bürgern der Vereinigten Staaten und ihrem politischen System. Sie sind älter, klüger und wichtiger als einzelne Politiker. Von ihrer Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Vertrauenswürdigkeit hängt nicht nur die unmittelbare Zukunft der US-Amerikaner ab, sondern auch die Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten wie Deutschland.
Die Gründe für ein impeachment können vielfältig sein. Die amerikanische Verfassung spricht nicht nur von schweren Verbrechen (high crimes), sondern auch von Vergehen (misdemeanors). Auch Hochverrat oder Korruption sind Gründe für eine Amtsenthebung. In jedem Fall geht es darum, die Integrität der Regierungsinstitutionen zu schützen und die Arbeitsfähigkeit der Regierung zu erhalten. Da der Präsident durch Wahlen legitimiert ist, sind die Hürden dafür zurecht hoch. Wenn eine Amtsenthebung aber angebracht ist, dann ist sie es ohne wenn und aber und ohne Rücksicht auf Parteipolitik oder die eigene Weltanschauung.
Ethik kennt keine Frist
Das heißt im Klartext: Nichts außer der Frage, ob gegen Präsident Trump ein hinreichend großer Verdacht besteht, sollte also in den politischen Parteien eine Rolle spielen. In beiden Lagern waren in der Geschichte schon Präsidenten infolge weitaus weniger weitreichender Taten zurückgetreten; sie verfügten letztlich über das notwendige Maß an Anstand und Würde, um die Stabilität des politischen Systems nicht weiter aus persönlichen Gründen zu gefährden. Insbesondere für die Republikaner böte ein Amtsenthebungsverfahren die (vielleicht letzte) Möglichkeit, sich aus eigenem Antrieb von Trump zu lösen. Eine solche Anstrengung aus eigener Kraft hätte für die Partei und das Land eine heilsame Wirkung und schüfe für die GOP ein verlässliches Narrativ im Austausch für ein sicher schwieriges Erbe. Und gerade weil es eben nicht um programmatische Politik geht, sondern um die Politik, den Staat als Ganzes, ist ein Misstrauensvotum gegen die Person des Präsidenten noch lange kein Grund, den Amerikanern nicht weiterhin ein dezidiert konservatives Angebot zu machen. US-Verteidigungsminister Mark Esper hat bereits angekündigt, den Kongress bei einem impeachment unterstützen zu wollen, oder zumindest nicht zu behindern. Die Freigabe von Dokumenten, die das Weiße Haus gerne zurückhalten möchte, wird Präsident Trump nicht gefallen. So könnte der auf einer Schlüsselposition sitzende Esper nun einen republikanischen Stein ins Rollen bringen.
Natürlich: Ob ein Impeachment-Verfahren den jeweiligen Parteien nützt oder schadet, ist ein Sachverhalt, den man in den Wahlkampfzentralen völlig zurecht im Blick behält. So funktioniert Politik. Beim impeachment geht es aber nicht um den Zug, sondern um die Gleise. Nicht um die Software, sondern um die Hardware. Präsident Trumps Handlungen, seine schweren sittlichen Vergehen und sein Verhalten gehen an die Substanz Amerikas. Eine Aufklärung durch die Gerichtsbarkeit ist dringend erforderlich. Nicht der Präsident würde seines Amtes enthoben; sondern hier würde das Amt des Präsidenten enthoben. Schwindet diese Last, schwindet auch die Madness.
Titelbild: Andres Castellano. CC 2.0.
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