Beginnen wir mit einer kurzen Meldung – amerikanischer als Apple Pie. Mein persönliches transatlantisches Highlight der Woche war nämlich ein kurzer, aber bockstarker Artikel von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung.
Der trägt den Titel „Auf Crashkurs“ und behandelt das inzwischen stark anwachsende Problem durch US-amerikanische Autokredite – die Immobilienblase 2008 lässt grüßen. Nur sind es jetzt nicht mehr die Haus-, sondern die Autobesitzer, die zu Sorgenkinder avancieren: Gut 580 Milliarden Dollar haben die US-Amerikaner alleine 2018 an Auto-Krediten aufgenommen. Weil Käufer oft nicht abbezahlte Autos in Zahlung geben, addiert sich die Kreditlast mit jedem neuen Fahrzeug – eine (noch) brummende Wirtschaft ermöglicht Käufe ohne Anzahlungen.
Der eigentliche Star des Artikels ist jedoch Larry Baker, Sachpfänder. Bewaffnet mit einem Abschleppwagen und einer Pistole (Kaliber .45), durchstreift er die Vororte des unteren Mittelstandes.
Ladies and gentlemen, das ist America in a nutshell.
Es ist diese skurrile und widersprüchliche Welt, die auf Sie und mich gleichermaßen befremdlich und faszinierend wirkt. Triumph und Wahnsinn liegen auf der anderen Seite des Teichs einfach wunderbar eng beieinander. Bleibt zu hoffen, dass unsere US-amerikanischen Freunde vor dem großen Crash auf ihren Streifzügen durch die Autohäuser die einzig richtige Entscheidung treffen – und zu einem deutschen Fabrikat greifen.
Eben noch waren deutsche Automobile eine Gefahr für die nationale Sicherheit, nun brilliert US-Präsident Donald Trump in der Rolle des Friedensengels. Am Freitag kündigte er einen „großartigen“ Plan für Frieden im Nahen Osten an, im Laufe der nächsten Woche werden wir mehr darüber erfahren. Klar ist schon jetzt, dass der „historische Deal“, den Trump vorschlagen will, wohl niemals akzeptiert werden wird. Zumindest die evangelikale Basis zuhause in den USA, die „The Donald“ bereits mit seinem Auftritt während der Pro-Life-Veranstaltung „March For Life“ vergangene Woche bezirzt hat, wird’s freuen. Vorerst bleibt der Frieden im Nahen Osten wohl ein Traum.
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aber stirbt bekanntlich zuletzt. Daran erinnert uns auch die US-amerikanische Serie „Star Trek: Picard“, die nach (viel zu langer!) Wartezeit am Freitag auf Sendung ging. Trekkies, und solche, die es werden wollen, können dank Sir Patrick Stewart wieder Kraft tanken für die Aufgaben des Jahrhunderts. Die US-Regierung ist ihrerseits bereits in der Zukunft angekommen und veröffentlichte das Logo für die neue Teilstreitkraft „Space Force“. Can’t wait to enlist in Star Fleet, Ladies and gentlemen.
Wenngleich sie ihn von Präsident Trump kaum erwarten können – ebenfalls einen Friedensplan bräuchten die US-Demokraten. Und zwar dringend. In ihrem Vorwahlkampf fliegen nämlich die Fetzen. Insgesamt erinnert dieser Vorgang bei den Demokraten stark an Amerikas wichtigsten kulturellen Beitrag: Die NASCAR-Rennen. Denn jetzt, da das anfänglich unübersichtliche Feld der Bewerber etwas aufgeräumter ist, kommt es zu spektakulären Crashs. Tulsi Gabbard verklagt Hillary Clinton wegen Verleumdung. Und nachdem sich Elizabeth Warren und Bernie Sanders kürzlich vor laufenden Kameras ungewöhnlich unfreundlich zueinander verhielten, nützt das in den jüngsten Emerson-Polls vom vergangenen Freitag zwar Joe Biden, nicht aber den Demokraten insgesamt. Warrens Idee, mit ihrem pauschalen Vorwurf an alle Demokraten-Männer auch noch eine Trennlinie der Geschlechter durch das ohnehin gespaltene Lager der Demokraten zu ziehen, erweist sich vielleicht als gar nicht mal so clever. Denn auch wenn sie in der Frage der 2020 Democratic Presidential Nomination mit 14 Punkten deutlich hinter Biden (34) und Sanders (22) liegt, zählt am Ende nur, wem die Wähler in der General Election den Vorzug geben. Und da nützt es nichts, wenn der/die Kandidat/in am Ende Trump gegenübertritt wie ein gerupftes Chlorhühnchen. Nach neusten Umfragen hat im Direktvergleich einzig und allein Bernie Sanders eine hauchdünne Chance (51:49), Trump aus dem Oval Office zu vertreiben. Das ist vor allem eines: Merkmal einer US-amerikanischen Gesellschaft, in der Wahlen mittlerweile mit einer Anti-Establishment-Einstellung und Politik fernab der Mitte gewonnen werden. Dort wartet man lieber auf die Zeit nach dem Crash, anstatt auf diese Trends zu reagieren.
Ganz anders macht es John Oliver mit seiner Show „Last Week Tonight“, in der er so ziemlich jede neue Sau durch’s Dorf treibt. Man darf sich auf die siebte Season freuen. Nach einer Sendepause geht es Anfang Februar endlich wieder weiter.
Dann war da noch Sigmar Gabriel, der sich zuletzt beruflich stark verbessert hatte (vom SPD-Politiker zum Vorsitzenden der Atlantik-Brücke). Er wird seine Talente zukünftig der Deutschen Bank für einen Freundschaftspreis zur Verfügung stellen. Noch als deutscher Außenminister hatte Gabriel bemängelt, dass westliche Banken sich nicht trauten, iranischen Unternehmen Kredite zu gewähren. Vielleicht steht das also ganz oben auf seiner Agenda. Atlantik-Brücken-Pfeiler sind eben manchmal, aber nicht immer, aus Gold.
Der goldene Preis für das extravaganteste Posting der Woche geht dieses Mal an den US-Präsidenten persönlich. Some things never change, right?
Bessere Aussichten als Barack Obama haben nur die Follower von Transatlantic Takes. Während ihr, liebe Leser und Leserinnen, euch hoffentlich angenehme Feiertage gegönnt habt, sind wir mit voller Kraft ins neue Jahr gestartet – und melden uns mit einem verstärkten Team zurück. Mit meinen Kollegen Arian Aghashahi, David Kirsch und Robin Voss, werden wir euch in Zukunft wöchentlich über aktuelle Geschehnisse der transatlantischen Beziehungen berichten.
Wegen der spontanen Natur der Sache freuen wir uns über eure Aufmerksamkeit und eure Kommentare, denn auch wir lernen in kurzer Zeit gerne und schnell dazu.
Oder wie man auf Neudeutsch sagen würde: Auch wir können Crashkurs.
Bildquelle: Gage Skidmore. Flickr. CC 2.0.