Es gibt viele Gründe, Amerika zu lieben. Einer davon ist die absolut faszinierende Kultur, obwohl ich nicht weiß, ob das im europäischen Sinne das richtige Wort ist. Besonders, wenn es um Kinofilme und Serien geht. Aber, um ganz ehrlich zu sein, sind diese kleinen und großen Meisterwerke manchmal die besseren Botschafter ihres Landes, als diejenigen, welche im Weißen Haus und sonst wo beheimatet sind. Und auch der größte Anti-Amerikanist verirrt sich ab und zu in einen Blockbuster.
Eine wunderbare, wenn auch etwas brutale Hommage an die Grindhouse-Filme und -Kinos der 70er, die gerade in Deutschland so beliebt waren, findet sich seit dieser Woche auf Amazon Prime. Das Masterpiece heißt „Hunters“, ist eine Serie und natürlich geht es um, richtig, Nazis. Im Jahre 1977, so der inhaltliche Rahmen, jagen amerikanische Juden Alt-Nazis, die sich unbehelligt in den USA aufhalten. Die Serie ist nichts für schwache Nerven, sie ist auch nur in begrenztem Umfang historisch korrekt, zeigt aber nochmal anschaulich, wie grauenvoll die Herrschaft der Nationalsozialisten war und wie dankbar die Welt unter anderem den Amerikanern für die Befreiung von diesem Joch sein kann und muss. Dabei mutet die Serie recht Tarantino-mäßig an (die inhaltliche Nähe zu „Inglorious Basterds“ ist kaum zu übersehen). Kino und Zweiter Weltkrieg – Sie sehen, wenn es um das transatlantische Verhältnis geht, ist mir jedes Mittel recht. Sie werden es mir nachsehen, zurzeit haben wir es ja nicht ganz einfach.
His Master’s Voice, His Master’s Choice
Everbody’s Darling, US-Botschafter Richard Grenell, verlässt Deutschland. Hierzulande hatte er dann und wann mit, nun ja, kontroversen Positionen auf sich aufmerksam gemacht. Ziemlich übel aufgestoßen ist es manchen, dass er, anders als in diplomatischen Kreisen üblich, mehr seine Regierung als sein Land vertreten hatte. Dabei entschied sich Richard Grenell meistens für einen Ton und ein Auftreten, die zwar weniger diplomatisch, dafür aber sehr unterhaltsam waren. Nun wird er kommissarischer Geheimdienstkoordinator (eine Aufgabe, die in Deutschland übrigens im Kanzleramt beheimatet ist).
Während Grenell für den Posten des Botschafters in Deutschland zumindest formal qualifiziert schien, stellt sich vielen Beobachtern zurzeit die Frage, welche Talente er in seiner neuen Position entfalten könnte. Stefan Kuzmany mutmaßte diesen Freitag im Spiegel, allerdings nicht ganz ungiftig, der ehemalige Botschafter habe sich bereits als Geheimnisträger bewährt. In Berlin habe er als einer der wenigsten um Donald Trumps positive Wirkung auf die Menschheit gewusst – und dieses Wissen für sich behalten. Und weiter: „Der Präsident musste nie einen Staatsbesuch machen (…). Wenn Grenell sprach, war Trump mit im Raum.“ Tatsächlich ist in diesem Falle die wahrscheinlichste Begründung für Grenells Beförderung auch die einfachste. Als Botschafter hat er gegenüber dem amtierenden Präsidenten eine fast aberwitzige Loyalität bewiesen, die ihm in parlamentarischen Kreisen den Beinamen „His Master’s Voice“ eingebracht hat. Dabei hatte er es, um fair zu bleiben, mit einer für sein Heimatland schwierigen und in Teilen nicht minder undifferenzierten öffentlichen Meinung in Deutschland zu tun. Unbedingte Loyalität ist die wichtigste Qualifikation, die der Präsident seinen Mitarbeitern abverlangt. Aus dieser Perspektive betrachtet entfaltet sich vor Grenell ein Leben voller beruflicher Möglichkeiten im Windschatten von Präsident Trump. Oder, wie es ein altes jüdisches Sprichwort sagt: Wer sich gut beugen kann, kriecht vorwärts.
Upgrade für Grenell, Downgrade für Deutschland
Die vergangene Woche stellte man sich also die Frage, wer Grenell in Berlin ersetzen würde. Mit ziemlicher Irritation reagierten deshalb führende Politiker auf die Ankündigung, der Botschafter würde Botschafter bleiben – von Washington D.C. aus. Das ist nicht nur eine merkwürdige work ethic – schließlich sind beide Aufgaben von großer Wichtigkeit und echte full time jobs. Sondern auch eine merkwürdige Art, Wertschätzung für die transatlantischen Beziehungen auszudrücken. Ohnehin ist Grenell bereits US-Sondergesandter für den Westbalkan, eine echte Doppelbelastung. Dass der US-Botschafter in Deutschland zukünftig nicht präsent sein wird und parallel ein Regierungsamt bekleiden soll, ist für die Bundesrepublik eine ziemliche Herabwürdigung. Zudem bedeutet diese Situation einen echte Einschränkung für den Alltag in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dazu kommt, dass weder die Trump-Administration, noch die US-Geheimdienste in der deutschen Öffentlichkeit einen besonders guten Ruf inne haben. Dass sie nun ausgerechnet eine Synthese mit der Person Richard Grenell eingehen, verheißt für die transatlantische Partnerschaft neue Schwierigkeiten. Es ist schade um die verpasste Chance, die die Neubesetzung des Amtes für die deutsch-amerikanische Freundschaft bedeutet hätte.
Pfadfinder suchen Weg aus der Krise
Es gibt Dinge, die haben Deutsche und Amerikaner gemeinsam, und dann gibt es wiederum Dinge, für die es auf der jeweils anderen Seite des Teiches kein hinreichendes Äquivalent gibt. Für mich war eines dieser Phänomene immer die us-amerikanischen Pfadfinder, genauer gesagt, die Boy Scouts. In Filmen, Serien oder aus persönlichen Erzählungen gewann man den Eindruck, dass gerade in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine beträchtliche Anzahl der Männer Pfadfinder gewesen waren. Irgendwie gehörte das ein wenig zum kulturellen Selbstverständnis, und im reduzierten Umfang ist das, glaube ich, immer noch so. Umso schockierender sind die Meldungen über Missbrauchsfälle bei den Boy Scotts – so umfassend, dass die Organisation sich wohl auflösen und Insolvenz anmelden wird, um die Opfer zwischen 8 und 93 Jahren entschädigen zu können. Die Fälle, die bis in die Kriegsjahre zurückreichen, könnten das Ende für die Pfadfinder in den USA bedeuten. Das Land würde dann zu einem der wenigen Länder gehören, in dem es kein organisiertes „Scouting“ mehr gibt – zusammen mit, unter anderem, dem Iran und China.
Und dann war da noch Bernie Sanders. Der hat im Nevada caucus nach Auszählung von knapp 90% der Wahlkreise etwa 47% der Stimmen bekommen und wird deshalb aller Voraussicht nach nicht nur diesen caucus gewinnen, sondern lässt auch Joe Biden weit hinter sich zurück (mit etwa 21%). Nun ist Nevada nicht gleich die Vereinigten Staaten, es bleibt also abzuwarten, wie es weitergeht. Doch scheint sich vorerst der Trend zu bestätigen, dass in der zutiefst polarisierten US-amerikanischen Gesellschaft die radikalen Ideen von Bernie Sanders für entsprechenden Zulauf sorgen. Immerhin geriert auch er sich als Außenseiter, der sich mit dem Establishment in D.C. anlegen will. Einen sehr guten Überblick über den Stand der Dinge bietet übrigens der Politologe und Soziologe Kai-Uwe Hülss auf seinem Blog 1600 Pennsylvania.
Egal, ob Sie wie Richard Grenell drei Jobs haben oder, wie Bernie Sanders, sich noch im hohen Alter nach einem neuen umsehen: Wir von Transatlantic Takes wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche!
Titelbild: Gage Skidmore. Flickr. CC 2.0. Aufgenommen im Dezember 2019.