Es ist 6 Uhr morgens. Ich wache auf in einem Hotel. Inmitten Deutschlands internationaler Verkehrsachse Nummer 1: Frankfurt Flughafen. Der erste Griff gilt dem Handy. Spiegel Online Eilmeldung. Ich schalte CNN an. Auf dem Bildschirm das orangene Angesicht des US-Präsidenten. Darunter ein Banner. Mein Flug nach New York?
Findet heute wohl nicht statt. Diese Reise kann ich vorläufig erstmal vergessen.
Wie aus dem Nichts hat Donald Trump am 12. März einen Beschluss gefasst: Von nun an sind alle Reisenden aus der Europäischen Union an den Grenzen abzuweisen. Das betrifft auch mich. Diese überraschende Ankündigung ist vor allem als Produkt auf die lange – viele sagen zu lange – andauernde Untätigkeit des Commander-in-Chief in Bezug auf die Corona-Pandemie zu verstehen.
Donald Trumps Coronavirus-Rede sollte vermutlich Stärke und Verlässlichkeit ausstrahlen. Für Noah Rothman vom konservativen Commentary Magazine war sie hingegen ein regelrechtes Disaster: „There is no excuse for that kind of carelessness in a prepared address to the nation, much less one given amid emergency circumstances.“
Seine eigene Ignoranz zwingt ihn nun also dazu, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um nicht als schwacher Führer dazustehen. Hashtag Danke, Donald.
Ein Sinnbild für die transatlantischen Beziehungen
Gleichzeitig steht dieser Travel-Ban exakt für den Graben zwischen den USA und Europa, der sich unter der Trump-Administration immer weiter aufgetan hat. Nicht nur ausgewählte, besonders betroffene europäische Staaten wurden mit einer Einreisesperre belegt. Ausnahmslos alle Bewohner des Schengenraums wurden von Trump zu Personae non gratae erklärt. Also ganz Europa? Nein: Ausgenommen davon sind Irland und Großbritannien – zu dessen Premierminister Donald Trump nachweislich eine gewisse Bruderliebe entwickelt hat.
Dabei ist nicht ersichtlich, welche Schritte die Briten bezüglich des Covid-19-Erregers unternommen haben, welche die Europäer, wie vom Präsidenten vorgeworfen, unterlassen haben sollen. Das Krisenmanagement der Vereinigten Staaten scheint damit weniger an Risikofaktoren orientiert zu sein, als an dem oftmals erratischen Freund-Feind Dogma des US-Präsidenten.
Es ist kein Geheimnis, dass der 45. Präsident der USA ein Problem mit der Europäischen Union und insbesondere mit Angela Merkel hat. Vor allem der deutsche Exportüberschuss – und die seiner Ansicht nach zu niedrigen Verteidigungsausgaben – sind ihm schon seit Beginn seiner Präsidentschaftskandidatur ein Dorn im Auge. Kritikpunkte, die durchaus ihre Berechtigung haben können und auch schon von Vorgängerregierungen erhoben wurden. Sein Vorgänger Barack Obama achtete zumindest stets darauf, das europäisch-amerikanische Bündnis und die deutsch-amerikanische Freundschaft nie unverhältnismäßig durch Meinungsverschiedenheiten zu belasten. Damals haben die gemeinsame Vergangenheit und die geteilten Werte von Demokratie, Freiheit und freiem Handel noch mehr gewogen, als temporäre Interessensgegensätze.
Donald Trump – unfit to handle Corona
Die Politik der späten 2010er Jahre hingegen hinterfragt internationale Bündnisse stärker als wir das bisher gewohnt waren. Gerade im anglo-amerikanischen Raum hat sich eine neue Rhetorik entwickelt, die alte Freunde zu Feinden macht und umgekehrt. Es ist verstörend, wenn ein amerikanischer Präsident von einem nordkoreanischen Diktator als Freund spricht, während er einer deutschen Kanzlerin den Handschlag verweigert und einem französischen Präsidenten beim Handschlag versucht die Hand zu brechen. Unter Trump werden die Linien amerikanischer Außenpolitik nicht mehr anhand von Werten bestimmt, sondern alleine anhand politischer und wirtschaftlicher Interessen. Werte werden aufgegeben, wenn es zum Vorteil gereicht, und langjährige Beziehungen gekappt, wenn die Dividende zu niedrig ist. Die negativen Langzeitfolgen, die eine solche Politik auch für die USA haben werden, verschwinden hinter den kurzfristigen Gewinnen, für die sich Trump von seinen Anhängern feiern lassen kann.
Wie krisenanfällig diese neu geschaffene Weltordnung des „America First“ ist, zeigt die Ausbreitung des Coronavirus. Diese Krankheit, die eine ernsthafte Gefahr für die Weltgesundheit darstellt und jüngst von der WHO zur Pandemie erklärt wurde, kann nicht mehr durch nationale Alleingänge aufgehalten werden. Jetzt sind insbesondere die von Trump so sehr verhassten internationalen Organisationen gefragt, Lösungen für dieses globale Problem zu finden. Organisationen, die zuvor noch durch diese amerikanische Regierung geschwächt wurden und die nun die gemeinsamen Anstrengungen koordinieren sollen.
Wir sprechen nicht mehr miteinander
Die Reaktion der europäischen Kommission und der Regierungen der Mitgliedsländer zeigen, dass das amerikanische Einreiseverbot nicht oder nur kurzfristig angekündigt worden ist. Es ist Ausdruck eines Kommunikationsdefizits zwischen Amerika und Europa. Unsere Kontinente sprechen nicht mehr miteinander. Während Angela Merkel mit Trumps Vorgänger noch wöchentlich über die Weltlage sprach, ist der persönliche Austausch seit dessen Amtsantritt stark zurückgegangen. Lieber twittert der US-Präsident über andere Staaten, als mit ihnen in einen Dialog zu treten. Der Monolog, den Trump auch gerne über sich selbst hält, scheint besser zu seiner Natur zu passen.
Als einen Lichtblick kann man hingegen Joe Bidens voraussichtlichen Erfolg in den Vorwahlen der US-Demokraten und die Präsidentschaftswahl im November sehen.
Es besteht die Hoffnung, dass unter einem Staatsmann von Bidens Statur die amerikanische Diplomatie wieder vernünftigere Wege einschlagen würde. Trumps Performance der letzten Tage hat zweifelsohne auch den Chancen seiner Wiederwahl einen Dämpfer verpasst.
Trumps Rhetorik hingegen war schon immer ein Instrument zur Abgrenzung gegen Andere. Das diese nun schon wieder Europa trifft, mit nicht absehbaren Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft auf beiden Seiten des Atlantiks, lässt einen mit Furcht auf die Beständigkeit der transatlantischen Brücke blicken.
Titelbild: President Trump Signs the Congressional Funding Bill for Coronavirus Response. The White House from Washington, DC. CC 2.0.
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