In einem fast schon unerträglichen Ausmaß bestimmt die Corona-Krise derzeit die Medienberichterstattung. Und damit auch unseren Alltag. Publikumswirksame Sensationsmeldungen – mal positiver, mal negativer Natur – haben dabei regelmäßig die Oberhand. Welche Maßnahmen am wirksamsten gegen COVID-19 sind, wissen wir noch nicht. Eines können wir aber mit Sicherheit sagen: Das Virus selbst wird allerspätestens in eineinhalb Jahren weitestgehend aus der Tagespolitik und der Presselandschaft verschwunden sein. Das tatsächlich zerstörerische Potential unserer Lebensgrundlagen könnte vielmehr den geostrategischen Implikationen innewohnen, welche durch den Umgang mit COVID-19 ausgelöst werden. To put it bluntly: Wir müssen rasch die Weichen stellen, um weltweite Disruptionen frühzeitig zu erkennen und eindämmen zu können.
Das Augenmerk muss dabei auf den Entwicklungs- und Schwellenländern liegen, d.h. außerhalb des atlantischen Raums und außerhalb Chinas. Wirtschaftlich weniger starke Staaten werden dabei durch COVID-19 in jeglicher Hinsicht härter getroffen werden als wir: unmittelbar durch zu schwache Gesundheitssysteme und mittelbar durch wirtschaftliche Folgen – man denke nur etwa an ausbleibende Urlauber in Ägypten, die dort gewöhnlich 16 Millionen Jobs sichern.
Auch wenn wir – in Deutschland, in Europa – derzeit selbst mit der Krise zu kämpfen haben, müssen wir diesen Ländern jegliche verfügbare Unterstützung zukommen lassen. Das gebietet sich alleine schon aus Gründen der Humanität. Wen das alleine noch nicht zu überzeugen vermag, der sollte sich das ureigene geostrategische Interesse des Westens an der Hilfe für die betroffenen Staaten vor Augen führen.
Eine Weltordnung, in der Menschenrechte und Marktwirtschaft führende Prinzipien sind, bildet die notwendige Voraussetzung für unsere eigene Freiheit und Sicherheit – und damit auch für den wirtschaftlichen Wohlstand selbst. In diesem Sinne gestaltet sich die Welt aber nur, wenn eine Mehrzahl der Staaten das Ziel einer freiheitlichen und demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung teilt.
Um es klipp- und klar auf den Punkt zu bringen: Um unsere Art zu leben, vor dem Untergang zu bewahren, müssen wir über unseren Tellerrand schauen. Und langfristig denken. Denn viele Regionen dieser Welt werden – als logische Konsequenz der durch COVID-19 implementierten Maßnahmen – sehr bald wirtschaftliche Unterstützung benötigen. Und viele Regionen dieser Welt werden in naher Zukunft Schauplatz eines Systemwettbewerbs zwischen einem Autoritarismus chinesischer Prägung und westlichem Liberalismus sein (so wie in El Salvador im letzten Jahr).
Fühlt sich die dortige Bevölkerung in Krisenzeiten, d.h. dann, wenn es darauf ankommt, von Europa und den USA im Stich gelassen, könnten die Folgen so schnell nicht zu reparieren sein. China und Russland – einschließlich ihrer unfreiheitlichen Staatsordnung – stünden dann als die zuverlässigeren Partner und vielleicht sogar als die effektivere Staatsform da. Insbesondere Chinas Milliardeninvestitionen in Afrika sind ein gutes Beispiel dafür.
Der Verzicht auf Menschenrechte wäre dann der Preis, den arabische, asiatische oder afrikanische Herrscher für Ordnung und einen relativen Zuwachs an Wohlstand zu zahlen bereit wären. Dazu gibt es nur eine Alternative: Die westliche Gemeinschaft muss deutlich machen, dass sie die Interessen der weniger mit Wohlstand gesegneten Länder berücksichtigt: durch direkte Hilfe, etwa durch die Entsendung medizinischen Personals und Materials, durch finanzielle Hilfen und vor allem durch die Vermeidung egoistischer Maßnahmen wie dem Verdrängen ärmerer Staaten vom Markt für Medikamente und Schutzausrüstung. Letzteres resultiert insbesondere daraus, dass Entwicklungsländer beim Kauf medizinischer Produkte auf dem freien Weltmarkt ihren Mitbewerbern aus Industrienationen sowohl finanziell, als auch aufgrund weniger robuster Organisationsstrukturen, hoffnungslos unterlegen sind.
Das Coronavirus selbst wird hoffentlich schon bald vergessen sein. Der Schaden, den die strikten wirtschaftlichen Maßnahmen in Verbindung mit dem Missbrauch der Situation durch antidemokratische Kräfte für die Freiheit vieler Menschen mit sich bringen, wird aber noch lange nachwirken. Wir müssen daher alles Menschenmögliche unternehmen, um illiberalen Despoten zuvorzukommen.
Fabian Barth ist in der Steuerberatung tätig und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit deutschem und US-amerikanischem Steuerrecht. Als Luftwaffen-Reserveoffizier zählt Geopolitik zu seiner liebsten Freizeitbeschäftigung.
Titelbild: Combined Joint Task Force Horn of Africa. A U.S. Agency for International Development (USAID) worker waits for a flight on a C-130J Hercules assigned to the 75th Expeditionary Airlift Squadron, Combined Joint Task Force-Horn of Africa, in Maputo, Mozambique, March 29, 2019. CC 2.0.
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