Warum Kritik an der WHO gerechtfertigt ist

Transatlantic Takes lebt von offenen Debatten. Deshalb stellen wir euch in dieser zweiteiligen Artikelserie konträre Positionen zum US-amerikanischen Rückzug aus der WHO vor. Im ersten Teil hat David Kirsch die amerikanische Beitragskürzung kritisiert. Hier erklärt David Stellmacher, warum Donald Trumps Kritik an der WHO zutreffend ist. 



Mag uns der erratische Populismus des amerikanischen Präsidenten auch noch so sehr befremden: Mit seiner jüngsten Kritik an der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Donald Trump Recht. Zuletzt haben die Vereinigten Staaten deshalb ihre Zahlungen an die Organisation eingestellt – und scharfe Worte gegen deren enge Verbindungen zur chinesischen Führung gefunden. Dabei sollten in dieser Sache auch die europäischen Staaten Klartext sprechen.

Für die ansonsten eher zurückhaltende Semantik der deutschen Diplomatie klang das geradezu konfrontativ: „Es gibt Fragen, die irgendwann beantwortet werden müssen“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maaß am Freitag der Bild-Zeitung mit Blick auf Chinas Verhalten in der Corona-Krise. Dass diese Fragen nach der Vertuschung durch die chinesische Staatsführung immer stärker ins Bewusstsein der westlichen Demokratien rücken, hängt mit zahlreichen Gerüchten um ein Labor nahe Wuhan zusammen. Jüngst hatten amerikanische Geheimdienste Hinweise auf einen Laborunfall durchsickern lassen, durch den das Coronavirus in die Welt gelangt sein soll. Auch das renommierte Londoner King’s College wies darauf hin, dass es für diese These gute Argumente gebe.

China führt einen Propagandafeldzug 

Ob Laborunfall oder Wildtier-Markt: Auch wenn die Frage nach der genauen Herkunft des Virus schwer zu klären sein wird, ist klar, dass Sars-CoV-2 in China seinen epidemiologischen Ursprung hat. Seit dem Auftreten erster Infektionen in der Provinz Hubei führt die chinesische Staatsführung einen Propagandakrieg gegen die eigene Bevölkerung und die Weltgemeinschaft. Schon früh berichteten europäische Medien, wie die kommunistischen Machthaber den 33-jährigen Arzt Li Wenliang aus Wuhan drangsalierten, der seine Mitmenschen vor der Lungenkrankheit Covid-19 zu warnen versucht hatte. Erst als Zehntausende in den Krankenhäusern um ihr Leben kämpften, gab China den Ernst der Lage zu. Trotzdem wurde amerikanischen Wissenschaftlern kein Zugang zu dem Gebiet gewährt – und die offiziellen Meldungen zur epidemiologischen Lage widersprachen sich teilweise eklatant.  

Pekings Verbindungen zur WHO

Dabei mag es wenig verwundern, dass eine totalitäre Diktatur wie Peking mit Propaganda eigene Narrative in die Welt zu setzen versucht. Viel bedeutsamer ist indes, dass China in der Weltgesundheitsorganisation eine allzu nachsichtige Partnerin gefunden zu haben scheint. Erst am 11. März – Wochen nach den dramatischen Entwicklungen in Wuhan – hat die WHO die Virusepidemie zur globalen Pandemie hochgestuft. Zuvor hatte die Organisation auch die Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch wochenlang negiert. Erst am 24. Januar änderte der WHO-Chef diese Einschätzung, obwohl Taiwan bereits am 31. Dezember vergangenen Jahres diesen Übertragungsweg eindeutig nachgewiesen hatte. Die Wissenschaft allein scheint für die UN-Organisation mit Sitz in Genf also nicht handlungsleitend zu sein.

Welche Rolle spielt der WHO-Generaldirektor?

Mit dem WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus weiß Peking einen engen Verbündeten an seiner Seite. Dies umso mehr, als der Äthiopier auch dem chinesischen Einfluss innerhalb der Vereinten Nationen seinen Posten zu verdanken hat. Zuvor war Ghebreyesus in seinem Heimatland Gesundheitsminister und sorgte bereits vor zehn Jahren für Aufsehen, als er lokale Cholera-Epidemien heruntergespielt hatte. Dass Ghebreyesus als erster Nicht-Mediziner und trotz dieser Vorgeschichte WHO-Generaldirektor werden konnte, lag zuvorderst an China: Denn Peking ist mit großem Abstand der größte Geldgeber des afrikanischen Staates und sehr eng mit dessen politischer Klasse verknüpft. Zudem hat der heutige WHO-Chef in den 1970er Jahren seine Karriere unter Äthiopiens sozialistischer Militärjunta begonnen.

Propaganda statt Wissenschaft

Indes gibt es keine Beweise, dass der WHO-Chef Pekings Propaganda bewusst vermarktet. Und zurecht wird oft angeführt, die WHO sei als kleine UN-Unterorganisation nunmal abhängig von ihren Geldgebern. Aus diesem Grund müsse sich die Organisation auf Informationen anderer Länder verlassen und könne keine eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen veranlassen. So weit, so gut. Dass der WHO-Generaldirektor allerdings noch Anfang Februar Peking besuchte und der kommunistischen Staatsführung „neue Maßstäbe bei der Bekämpfung eines Ausbruches“ attestierte, grenzt jedoch an plumpe Realitätsverweigerung.

Klartext gegen Chinas Propaganda

Dass US-Präsident Trump im Gegensatz dazu dezidiert Kritik am Krisenmanagement der WHO übt, mag auch mit dem US-Wahlkampf zusammenhängen. In der Sache liegt er indes richtig. Chinas destruktiver globaler Einfluss ist auch unter den US-Demokraten weithin Konsens. Doch so richtig diese Kritik inhaltlich ist, so falsch ist letztlich das Streichen der Finanzmittel. Denn dadurch wird eine globale Organisation noch abhängiger von Autokraten. Umso wichtiger scheint es also, dass Europa Widerworte zum Versagen der WHO findet – und Chinas Propaganda noch entschiedener widerspricht. Gelänge es, durch klare Worte auf internationaler Bühne Pekings autokratisches Gebaren zurückzudrängen, wäre viel gewonnen.


Titelbild: President Donald J. Trump, joined by Vice President Mike Pence and members of the White House Coronavirus Task Force, takes questions from the press at a coronavirus update briefing Saturday, March 14, 2020, in the James S. Brady Press Briefing Room of the White House. (Official White House Photo by Shealah Craighead). Flickr. CC 2.0.

Ein Kommentar Gib deinen ab

Kommentar verfassen