Trump plant eine weitere Einschränkung der Reisefreiheit. Nachdem der US-Einreisestopp vor kurzer Zeit bereits unvorbereitet Europa erwischt hatte, verkündete Trump jüngst, dass vorübergehend keine sog. Green Cards mehr ausgestellt werden sollen. Green Cards sind unbefristete Berechtigungen, in den USA als Nicht-Staatsbürger zu leben und zu arbeiten. Temporäre Arbeitsvisa werden demnach von dem bevorstehenden Dekret, anders als zunächst befürchtet, nicht betroffen sein. Ebenso wenig umfasst die Aussetzung Studenten- oder Praktikumsvisa (J1-Visum). Auch wenn die Verfügung nur für einen begrenzten Zeitraum gilt (zunächst 60 Tage) und noch unklar ist, inwieweit die Exekutive eine derartige Maßnahme ohne Zustimmung des Kongresses juristisch überhaupt anordnen darf, stellt die Ankündigung einen großen Einschnitt da: Welche Ziele verfolgt die Aussetzung der Ausstellung von Green Cards? Und kann Sie diesen Zielen gerecht werden?
Hauptziel: Schutz der amerikanischen Arbeitnehmer
In seinem Pressebriefing begründete der US-Präsident die Aussetzung der Möglichkeit, eine Green Card zu beantragen, primär mit dem Schutz der Millionen von Amerikanern, die im Zuge der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben. Doch ist ihnen damit wirklich geholfen?
Zunächst ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Statistiken tendenziell nicht belegen, dass Zuwanderung den einheimischen Arbeitnehmern in den USA schadet – im Gegenteil. Dass dennoch kurzfristig im Lichte der außergewöhnlichen Situation die Notwendigkeit besteht, den Arbeitsmarkt wo nötig vor Konkurrenz aus dem Ausland abzuschirmen, um die Situation nicht zu verschlimmern, ist nicht nur verständlich, sondern sogar die Aufgabe einer Regierung, die im Dienste ihrer Bürger arbeitet. Die gewünschte Wirkung wird die Einwanderungspause jedoch nicht erzielen: Anders als etwa bei der Freizügigkeit in der EU würde es das derzeitige amerikanische Einwanderungssystem nämlich grundsätzlich gestatten, Zuwanderung gezielt so zu steuern, dass nur diejenigen ausländischen Arbeitskräfte einwandern dürfen, die Jobs ausführen, die Einheimische ohnehin nicht annehmen können (z.B. Experten in gewissen Gebieten) oder wollen (vgl. etwa Erntehelfer). Die Aussetzung der Einwanderung in der geplanten Breite ist demnach nicht nur nicht notwendig, sondern verursacht immense Kollateralschäden: Nämlich dadurch, dass der Wirtschaft dann auch die Arbeitskräfte fehlen, die sie auf dem heimischen Markt nicht findet. Darunter leiden im Zweifel mittelfristig auch amerikanische Arbeiter.
Dass die amerikanische Wirtschaft insgesamt nicht wirklich von der Idee begeistert ist, wurde schon an den prompten Reaktionen der empörten Vertreter der jeweiligen Interessensverbände deutlich.
Schließlich resultiert die Innovationskraft und Stärke der amerikanischen Wirtschaft nicht unwesentlich aus der Attraktivität der USA für ausländische Fachkräfte: Ohne Einwanderung gäbe es weder E-Bay noch Tesla. Darüber hinaus fehlt auch für „einfachere“ Tätigkeiten das Angebot auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt. So sind die USA in Bezug auf die Landwirtschaft zur Sicherstellung der Versorgung ähnlich auf Erntehelfer aus dem Ausland angewiesen wie Deutschland. Nach Kritik der Wirtschaftsvertreter wird die temporäre Einwanderungsbeschränkung daher entsprechend zurückhaltender ausgestaltet, als es der ursprüngliche Tweet vermuten ließe. Es scheint nunmehr so, als sei die jetzige Version der Versuch der Quadratur des Kreises: Die Interessen der Unternehmen an benötigten Zuwanderern sollen mit den z.T. zuwanderungskritischen Ansichten der republikanischen Basis vereint werden. Schließlich ist Donald Trump auf die Unterstützung beider Gruppen angewiesen, um seine Wiederwahl im November zu sichern. Die Emotionen seiner Basis mag die Aussetzung der Green Card-Austellung demnach bedienen – der amerikanischen Wirtschaft und damit mittelbar auch den Arbeitnehmern schadet sie hingegen eher.
Geht also nur nebensächlich um Corona?
In seinem Tweet zur Ankündigung der Einwanderungspause verwies Trump auch darauf, dass sie im Kampf gegen den „invisible enemy“, d.h. gegen den Virus, notwendig sei. Dabei dürfte Einwanderung als solches wohl kaum in besonderem Maße für eine Einschleppung von COVID-19 verantwortlich sein. Vielmehr birgt der grenzüberschreitende Personenverkehr als solcher das inhärente Risiko, dass Einreisende mit dem Virus infiziert sind und somit die Ausbreitung beschleunigen. Einwanderer sind unter allen Einreisenden nicht nur eine vernachlässigbar kleine, sondern auch eher unkritische Gruppe. Schließlich könnte man sie, anders als etwa Touristen für Kurzaufenthalte oder Tagespendler, schon im Heimatland und erneut nach der Ankunft in den USA, zur Quarantäne verpflichten und die Betroffenen nach Ablauf der Inkubationszeit auf die Erkrankung testen. Dass die Aussetzung der Einwanderung irgendeinen merklichen Effekt hinsichtlich der Verbreitung des Virus hat, ist nicht zu erwarten.
Die Aussetzung der Erteilung von Einwanderungsvisa in der derzeit geplanten Ausgestaltung wirkt in etwa so, als wolle man ein Breitband-Antibiotikum gegen einen Virus einsetzen: Am Ende des Tages erzielt das Mittel überall Wirkung, nur nicht dort, wo es sollte. Es bleibt daher zu hoffen, dass die US-Justiz und der Kongress die geplanten Maßnahmen soweit wie möglich abwenden und die USA alsbald wieder für Einwanderung geöffnet sind.
Titelbild: An officer with U.S. Customs and Border Protection Office of Field Operations reviews travel the documents of an arriving international airline pilot at Dulles International Airport in Dulles, Va., March 18, 2020. In response to the coronavirus pandemic, CBP officers have donned personal protective equipment (PPE) as they work on the frontline of the crisis. CBP Photo by Glenn Fawcett.