Krisen bergen die Gefahr, dass Entscheidungen mit langfristiger strategischer Wirkung in den Schlagzeilen der Tagespresse untergehen und nicht im notwendigen Ausmaß in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dass in diesen turbulenten Zeiten über die nukleare Teilhabe und die Nachfolge der betagten Tornado-Jets der deutschen Luftwaffe überhaupt diskutiert wird (Chris Becker berichtete in den Weekly News), ist daher schonmal begrüßenswert.
Weit weniger begrüßenswert ist jedoch die Mischung aus Naivität, Wunschdenken, parteipolitisch-taktischen Interessen und leider auch Antiamerikanismus mit denen (wieder einmal) bei einem verteidigungspolitischen Thema argumentiert wird.
So nutzten der SPD-Vorsitzende Walter-Borjans und der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich die Debatte, um den Abzug aller amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland zu fordern. Dabei kamen sie natürlich nicht ohne einen Hauch Antiamerikanismus aus und behaupteten ernsthaft, unter Präsident Trump bestünde die Gefahr, dass die USA offensiv einen Atomkrieg beginnen (eine Aussage, die keinem weiteren Kommentar bedarf).
Ferner stützte die SPD-Führung ihre Forderung auf die unvorstellbar schlimmen Auswirkungen, die aus dem Einsatz von Atomwaffen folgen.
Dieses Argument entbehrt jeder sicherheitspolitischen Logik. In erster Linie ist Deutschlands nukleare Teilhabe verglichen mit den weltweiten Beständen an Atomwaffen viel zu unbedeutend, dass ein Verzicht darauf ein Schritt in Richtung einer atomwaffenfreien Welt wäre. Dass Russland und China sich davon zum Abbau eigener Atomarsenale inspirieren lassen, ist hoffnungslos naiv. Die Welt wird jedenfalls kein sichererer Ort, wenn mit einem NATO-Staat einer der wenigen Akteuere auf Atomwaffen verzichtet, der verantwortungsvoll mit ihnen umgehen könnte. Darüber hinaus ist es gerade die abschreckende Wirkung der Atomwaffen, die sicherstellt, dass Kriege und Leid verhindert werden können. Denkt man an den, zurückhaltend formuliert, durchwachsenen Zustand der Bundeswehr, ist die nukleare Teilhabe außerdem eine der letzten Stützen, die Deutschlands Verteidigung im Ernstfall ohne massiven Einsatz US-amerikanischer Truppen sicherstellen könnte.
Um es unverblümt zu sagen: Ohne nukleare Teilhabe sind die Verteidigungsfähigkeit und die Sicherheit Deutschlands in Gefahr.
Dabei bekleckerte Deutschland sich beim Thema nukleare Teilhabe bislang ohnehin nicht mit Ruhm: Bereits in den vergangen Jahren wurde die Frage erörtert, wie man die Tornado-Jets ersetzen könnte. Dabei wurde von Seiten der militärischen Führung u.a. die Anschaffung von Kampfjets des Typs F-35 in Betracht gezogen. Die F-35 ist ein Kampfjet der fünften Generation, der nicht nur über Stealth-Eigenschaften verfügt, sondern auch die Fähigkeit hat, auf große Distanzen Ziele zu bekämpfen. Aus diesem Grund haben auch zahlreiche westliche Verbündete die F-35 angeschafft. Mit dem Jet wäre die deutsche Luftwaffe zu Einsätzen in der Lage gewesen, die weit über die im Rahmen der nuklearen Teilhabe benötigten Fähigkeiten hinausgehen. Die F-35 hätten somit nicht nur die Sicherheit Deutschlands verbessert, sondern auch Deutschlands weltpolitischen Einfluss deutlich vergrößert. Durch die leichtere Koordinierungsfähigkeit mit Verbündeten, die das Muster ebenfalls einsetzen, wäre die deutsche Luftwaffe zu einer für die NATO nützlichen Teilstreitkraft aufgestiegen. Am Ende halfen all die Argumente nichts: Die Bundesregierung entschloss sich gegen die F-35 und der damalige Inspekteur der Luftwaffe, GenLt. Müllner, der sich indirekt für den Jet ausgesprochen hatte, musste seinen Posten räumen. Eine große Chance auf mehr Sicherheit und Einfluss schlug Deutschland aus – möglicherweise aus europapolitischen Interessen.
Was jetzt geschehen müsste
Kurzfristig gilt es zu verhindern, dass Deutschland weiter an weltpolitischem Einfluss, Ansehen bei unseren Verbündeten und eigener Verteidigungsfähigkeit einbüßt. Mittelfristig muss Deutschland sich als Nation aufstellen, die als verlässlicher Partner bereit und der Lage ist, die Freiheit des Westens und anderer Staaten notfalls auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen.
Um dies zu gewährleisten, ist es unabdingbar, die nukleare Teilhabe zu erhalten. Dazu muss sich die Bundesregierung geschlossen bekennen. Darüber hinaus wäre die Anschaffung der F-35 Kampfjets die richtige Maßnahme, um die gebeutelte Luftwaffe fit für die Zukunft zu machen.
Ein Land, dass über moderne Kampfjets und (im Rahmen der Teilhabe) über Nuklearwaffen verfügt, kann die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger und seiner Verbündeten gegenüber der wachsenden Zahl antidemokratischer Kräfte verteidigen. Ein Land, dass militärische Fähigkeiten aus Naivität verneint, wird mittelfristig schutz- und einflusslos.
Titelbild: Capt. Andrew “Dojo” Olson, F-35 Heritage Flight Team pilot and commander, performs a vertical climb in an F-35A Lightning II during the Bell Fort Worth Alliance Air Show Oct. 14, 2018, in Fort Worth, Texas. The F-35A Lightning II’s F-135 single-engine contains 43,000 pounds of thrust. (U.S. Air Force photo by Senior Airman Alexander Cook).