Die politische Dreiecks-Beziehung

Amerika und Deutschland pflegen eine enge Partnerschaft. Deutschland hat eine historische Verantwortung für Israel. Und Israel sollte stets auf die weltpolitische Rückendeckung der USA zählen können. Diese Dreiecksbeziehung ist zwar historisch gewachsen, aber auch hochmodern – findet Aras-Nathan Keul. Er ist nicht nur Mitglied der Initiative junger Transatlantiker (IjT), sondern auch Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und Vorsitzender der DIG-Jugendorganisaisation Junges Forum (JuFo).


Das Telefoninterview mit Aras-Nathan beginnt wie vereinbart um 13 Uhr – auf die Sekunde. „Wir Schwaben sind pünktlich“, scherzt der JuFo-Chef gut gelaunt. Etwa 45 Minuten lang werden wir über die Beziehungen zwischen drei besonderen Ländern sprechen. Und über die Herausforderungen, vor der moderne Jugendorganisationen stehen. Dann wartet für uns beide der nächste Termin: Es ist der 14. Mai, Israeltag in München.

Transatlantic Takes (TT): Wir wollen heute natürlich vor allem über die USA sprechen. Bevor wir dazu kommen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) – für alle unsere LeserInnen, die sie nicht kennen. Was ist der Kernauftrag der DIG, insbesondere des Jungen Forums?

Aras-Nathan Keul (ANK): Einfach ausgedrückt bemühen sich unsere 6.000 Mitglieder um das, was man klassisch als „Völkerverständigung“ bezeichnet. Also eine gute Beziehung zwischen der Bundesrepublik und Israel – auf der politischen, aber vor allem auf der zivilgesellschaftlichen Ebene. Unser Leitmotiv ist Freundschaft: auf der persönlichen Ebene, wo tatsächlich Verbindungen zwischen Personen aus beiden Ländern bestehen. Aber auch auf einer abstrakten Ebene, bei der wohlwollendes Interesse an der anderen Kultur, am anderen Land besteht. Wir als JuFo tun das vor allem unter jungen Menschen, besonders an den Universitäten und Hochschulen. Wir informieren, vernetzen und motivieren alle, die sich für das Thema interessieren. Wir werben dabei nicht nur für eine gute Beziehung zum Staat Israel, sondern stellen uns im Inland entschieden gegen Antisemitismus. Das gehört für uns zusammen.

TT: Was unterscheidet denn den Antisemitismus unserer Generation von dem unserer Großeltern?

ANK: In einem Wort: Umwegkommunikation. Was früher sagbar war, kann man heute nicht mehr ohne gesellschaftliche Ächtung sagen. Antisemitische Narrative werden also anders ausgedrückt: Jemand mit einer solchen Einstellung sagt heute nicht, dass er oder sie Juden und ihr Recht beispielsweise auf Selbstbestimmung ablehnt, sondern so etwas wie: „Ich habe Verständnis dafür, dass manche Leute Israel von der Landkarte getilgt sehen wollen“. Das sehen wir bei Islamisten, der extremen Rechten und extremen Linken, aber teilweise auch in der Mitte der Gesellschaft. Den klassisch biologisch oder rassisch motivierten Antisemitismus gibt es auch noch, ich erinnere mich beispielsweise an eine Karikatur in der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2018, in der antisemitische Stereotype verwendet wurden und für die der Karikaturist Dieter Hanitzsch dann schließlich auch gehen musste.

TT: Aus der Geschichte Deutschlands erwächst eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels. Diese Rolle wird – gerade in der Politik – oft betont. In der Praxis sind es aber vor allem Politik und Zivilgesellschaft der USA, die Israel international Rückendeckung geben. Ich denke da an Golda Meir, die 1948 über 50 Millionen Dollar an  Spendengeldern in den USA gesammelt hatte, aber auch an militärische Kooperation, die Verlegung der Botschaft, Stimmverhalten in der UN. Ist die Erfolgsgeschichte Israels ohne Amerika denkbar?

ANK: In dieser Form sicher nicht. Ohne die USA-  und die UN, will ich hinzufügen  – wäre die Geschichte sicher anders verlaufen. Die US-Unterstützung hatte über die Jahrzehnte zwar auch Höhen und Tiefen, aber sie war und ist wichtig. Und das übrigens in ihrem eigenen Interesse: Die Welt ist durch Israel sicherer geworden, nicht nur für Juden, die überall in der Welt verfolgt wurden. Wenn man auf die Region schaut, sieht man, dass Israel ein Botschafter, ein Stabilitätsanker unserer Werte und Lebensart ist. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben dort ein Zuhause. Auch Deutschland könnte das, was die USA schon erkannt haben, gerne noch etwas mehr wertschätzen. Israelisch Behörden verhinderten durch Kooperation mit unseren Behörden z.B. immer wieder Terroranschläge auf deutschem Boden. Wir vergessen die Geschichte und unsere Verantwortung niemals, es kommt jedoch noch ein Aspekt hinzu: Israel ist für die USA und Deutschland sowohl ein strategischer als auch ein Werte-Partner.

TT: Junges Forum und Junge Transatlantiker stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Es scheint so, dass Anti-Amerikanismus und Anti-Zionismus artverwandt sind. Für die Karikaturen des frühen 20. Jahrhunderts gehören „Plutokraten“ (USA) und Juden in die selbe Schublade. Und es gibt auch heute kaum eine andere Haltung, die Rechts- und Linksextremisten, Islamisten und Verschwörungstheoretiker mehr vereint, als die gleichzeitige Abneigung gegen die USA und Israel. Nicht selten sind Anti-Amerikanisten auch Anti-Zionisten. Warum ist das so?

ANK: Ich denke, wie du schon sagst, dass Israel und die USA einige Gemeinsamkeiten haben, die sie in autoritären Weltanschauungen zum „perfekten Gegner“ machen. Beides sind Länder, die sich in ihrer Unabhängigkeit behaupten mussten. Das Resultat aus dem Freiheitskampf ist eine Zivilgesellschaft, in der Freiheit und Individualität einen unglaublich hohen Stellenwert haben. Autoritäre und Extremisten, die alles bis ins Privateste hinein reglementieren wollen, haben ein Problem mit freiheitlichen Gesellschaften. Und diese Selbstbestimmung repräsentieren Israel und USA wie kaum andere Länder.

TT: Umgekehrt gilt für Freunde und Freundinnen der USA, dass sie oft pro-israelisch sind – und andersrum. Verläuft die Trennlinie entlang der Einstellung zu Freiheit und Individualität?

ANK: Ganz bestimmt auch, ja. Es sind die Werte, die diese Gesellschaften prägen, die wir hier auch haben, und auf die wir stolz sein können. Man muss auch nicht dort gewesen sein, um das so zu sehen. Davon leben Vereine wie die IjT oder das JuFo. Denn diese Länder und ihre Gesellschaften stehen für etwas, das weit über touristische Attraktivität hinausgeht: Selbstbestimmung, Lebensfreude und Freiheit.

„Wenn wir uns für die USA und Israel aussprechen müssen wir das nicht verschämt tuen– im Gegenteil! Beides sind interessante und vielfältige Länder, in denen ständig um die besten Ideen gerungen wird.“ Aras-Nathan Keul

TT: Müssten wir das Lebensgefühl mehr in den Fokus unserer Arbeit stellen? Unter jungen Menschen in Deutschland ist sowohl das Amerika– als auch das Israelbild eher negativ. Und die satte Hälfte der Jugendlichen bezeichnet sich selbst als überhaupt nicht politisch interessiert. Aufklärung ist wichtig, aber immer nur Politik zu diskutieren, hilft da vielleicht nicht jedem weiter.

ANK: Das Lebensgefühl halte ich für essenziell. Wir müssen offensiv zeigen, wie die Realität vor Ort aussieht, wie in der Zivilgesellschaft und in der Politik offen Meinungen ausgetauscht werden und welchen Hintergrund diese verschiedenen Meinungen haben. In keinem Land der Welt ist die Regierung zu einhundert Prozent repräsentativ für die Stimmung im Land. Das kennen wir aus dem Bundestag: eine Regierung vertritt meistens nur gut die Hälfte der Wählerinnen und Wähler, zudem gibt es extrem viele Bereiche, die die Menschen bewegen, aber mit der Regierung nicht wirklich was zu tun haben – gerade in freien Gesellschaften.  Wir als junge Freundschaftsorganisationen können dazu beitragen, jenseits der politischen Ebene einen persönlichen, kulturellen Austausch aufzubauen. So wird es demnächst endlich ein deutsch-israelisches Jugendwerk geben, aus dem hoffentlich unzählige Freundschaften zwischen jungen Deutschen und Israelis hervorgehen werden.

TT: Am meisten erreichen wir über die Sozialen Netzwerke, solang wir darauf achten, dass keine Blase entsteht, sondern wir uns immer wieder öffnen. Aber wie gehen wir mit dem media bias um, der sich in herkömmlichen und neuen Medien gelegentlich manifestiert?

ANK: Wir müssen versuchen, das verzerrte Bild in den Medien möglichst zu entzerren. Manchmal werden. Ursache und Wirkung verdreht, sodass eine israelische Reaktion wie eine willkürliche Aktion erscheint. Das müssen wir dann klar benennen und richtig stellen. Doch es hilft nicht nur, jede einzelne Situation jedes mal zu entwirren. Wir brauchen mehr Verständnis für die Sicherheitsinteressen Israels und dafür müssen wir, so anstrengend es manchmal ist, teilweise bis 1948 zurück.

„Es muss nicht immer nur die große Politik sein. Ich finds manchmal auch gut, mich mit anderen über den besten Hummus in Israel auszutauschen.“ Aras-Nathan Keul

TT: Reden wir zum Abschluss noch einmal über die beiden Organisationen, denen wir angehören. Klar, beide Standbeine sind wichtig. Aber welche Tendenz bevorzugst du: Eine kleine Organisation, die durch Networking versucht, Entscheidungen zu beeinflussen und die künftigen Entscheidungsträger fördert – oder eine grassroots-Organisation, die möglichst viele junge Menschen erreichen will, unabhängig von deren Hintergrund?

ANK: Wie du sagtest, beides ist wichtig: möglichst viele junge Menschen von Amerika bzw. Israel als Partner zu überzeugen und persönliche Freundschaften aufzubauen ist überhaupt der Kern unserer Arbeit.  Klar ist auch, dass wir auch junge Menschen außerhalb unserer Community erreichen müssen, wenn wir in die Breite der Gesellschaft gehen wollen.

TT: Wie erreichen unsere Organisationen, Junge Transatlantiker und Junges Forum, denn ihre Zielgruppen am besten?

ANK: Das Stichwort heißt Grassroots. Wir sind eben kein exklusiver Club, sondern wir haben eine Sache, für die wir eintreten und da kann jeder und jede mitmachen. Das müssen wir klar verständlich an die Frau und an den Mann bringen. Stichworte sind Social Media, Vernetzung von Gleichgesinnten, Aufklärungs- und Bildungsarbeit, an Unis oder auch Schulen und ein einfacher, niederschwelliger Einstieg in das Thema. Und es gibt auch Themen und Events, die unpolitische Leute erreiche wie Superbowl oder Barbecue. Nicht alle haben das gleiche Mindset und das ist auch gut so! Ich find’s auch gut, sich manchmal einfach über den besten Hummus in Israel auszutauschen..

TT: Lieber Aras-Nathan, danke für deine Zeit!

ANK: Vielen Dank für die Möglichkeit und Dein Engagement!


Foto: Susanne Schmidt (c).

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