Leon Billerbeck ist junger, progressiver Transatlantiker. Der 23 Jahre alte Sozialdemokrat studiert Politikwissenschaft (M.A.) an der Leibniz Universität Hannover und ist stellvertretender Vorsitzender der Jungsozialisten in Hannover. Der interessierte Populismusforscher hat einen Artikel über die langen Linien der transatlantischen Beziehungen verfasst, welcher im Verbandsmagazin der Jusos Nord-Niedersachsen (LINK) publiziert wurde. Diesen dürfen wir nun redaktionell überarbeitet mit freundlicher Genehmigung auf Transatlantic Takes veröffentlichen.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind seit jeher und bis zum heutigen Tage ein Sehnsuchtsort für vielerlei Menschen aus aller Welt. Entstanden als Goldgrube und angesegelt sowohl von spanischen Konquistador*innen, die sich im südlichen Teil der heutigen USA niederließen, als auch von Engländer*innen, Französ*innen und Niederländer*innen, die den Weg in die neue Welt mit der Hoffnung der großen Entlohnung verbanden. Der Traum vom Goldfund erübrigte sich schnell. Der Mythos blieb bestehen, und die Geschichte wurde bis zum heutigen Tage fortgeschrieben. So sind es heute nicht nur wenige europäische Siedler*innen, die sich auf den Weg in den Westen begeben, sondern (wie früher schon) Menschen zumeist aus asiatischen sowie mittel- und südamerikanischen Ländern auf der Suche nach einem besseren Leben – auf der Suche nach ihrer persönlichen Goldgrube.
Sicherlich wird das Bild der aktuellen Situation in den USA verzerrt durch Geschehnisse, die weltweit für Aufsehen gesorgt haben. Wir denken an Ferguson (LINK), an die Polizeigewalt gegen Menschen dunkler Hautfarbe, überproportional gegen Afro-Amerikaner*innen und Latinos. Wir denken an den Zusammenbruch der Börse im Jahr 2008 und die verheerenden Folgen für die USA und ihre Bevölkerungen, welche eine bundesweite Rate von fast 2,5% Zwangsvollstreckungen hinnehmen musste und unter einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von 4,2% auf knapp 10% litt. (LINKS) Wir denken an die daraus entstandenen psychischen und materiellen Folgen, welche hauptsächlich an der einfachen Bevölkerung hängen bleiben. Wir denken an Familien, die ihr Leben lang sparen müssen, um ihre Kinder aufs College schicken zu können und dennoch hoch verschuldet sterben. Wir denken an ein kaputtes Gesundheitssystem, welches einer dringenden Reform bedarf, aber durch parteipolitische Interessen gelähmt scheint. Aber allen voran denken wir an den aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten, an Donald J. Trump und seinen stümperhaften und rücksichtslosen Politikstil. Doch das weitgehend negative Bild der Vereinigten Staaten war nicht immer düster.
Schaut man sich Berichterstattung und Geschichtsschreibung genauer an, dann fällt schnell auf, dass die USA neben Popkultur und Süßgetränken insbesondere politische Geschichte geschrieben und dabei die gesamte westliche Welt miteinbezogen und beeinflusst haben. Von der Demokratie des heutigen Jahrhunderts begonnen über den Begriff der „Einwanderungsgesellschaft“ bis hin zu den Menschenrechten handelt es sich allesamt um Ideen, die vielleicht nur bedingt innerhalb der politischen Ideengeschichte, in der politischen Praxis jedoch stets den USA entstammten.
Protestantismus als Leitkultur
Wie in den einführenden Worten bereits geschildert, ist der nordamerikanische Kontinent zum Ende des 16. und Beginn des 17. Jahrhunderts ein beliebtes Ziel der europäischen Seefahrer*innennationen gewesen. Nachdem zuerst spanische Kolonisator*innen, später dann englische, französische und holländische an der heutigen Ostküste landeten, gründeten sich nach und nach Siedlungen, die der Suche nach Rohstoffen für die alte Welt in Europa dienten. Neben den zahlreichen in England als „faul“ verschrienen Tagelöhnern und Vagabunden, die ihre Strafen durch Arbeit in der „neuen Welt“ begleichen sollten, zog es insbesondere politisch und religiös marginalisierte Gruppen über den Atlantik. Hierbei zu nennen sind zwei Gruppierungen der sogenannten Puritans und Quakers.
Beide Religionsgemeinschaften waren in den europäischen Ländern marginalisiert und zum Teil verfolgt und getötet worden. Die puritanische Glaubensgemeinschaft entstammt einer Gegenbewegung zur katholischen, aber auch der in England damals gegründeten anglikanischen Kirche, und lehnte die Auslegung von Glauben als Prunk in jeglichem Maße ab. Das Leben puritanischer Siedler*innen war bereits in Europa, wo sie ein Exil in den Niederlanden gefunden hatten, bestimmt durch Einfachheit und den Glauben, dass ein Leben im Diesseits bereits von Gott vorbestimmt sei und demnach nichts aus Zufall geschehe. Die Quaker-Gemeinschaft hingegen war für damalige Verhältnisse vergleichsweise tolerant und lehnte Krieg und Auseinandersetzung grundlegend ab. Zu ihren Bräuchen zählten unter anderem die ebenfalls strenge Auslegung der Bibel als Lesart des aktuellen Lebens und die Verpflichtung von spirituellen Bibelerfahrungen, in denen Gott in die Mitglieder der Gemeinde zu fahren schien, was zu skurrilen Erzählungen für die Nachwelt führte. Ihre Friedlichkeit sorgte nicht dafür, dass sie in ihrer alten Heimat England unbekümmert leben konnten, sondern bedeutete ebenfalls Verfolgung und die daraus resultierende Flucht in die neue Welt.
Diese beiden Bewegungen oder „Sekten“, wie wir sie heutzutage bezeichnen würden, sind für die amerikanische Entstehungsgeschichte und die damit verbundenen politischen Phänomene, die auf der heutigen Politbühne der USA von Bedeutung sind, sinnstiftend gewesen. Betrachtet man die Niederlassung der beiden Religionsgemeinschaften, so zeigen sich erste Zusammenhänge. Beide Gruppierungen waren auf der Suche nach der Freiheit ihren Glauben ausleben zu können und damit auf der Flucht vor dem als tyrannisch verschrienen Staat in England. Die Quäker-Bewegung fand ein neues Epizentrum im heutigen Bundesstaat Pennsylvania mit ihrer auserkorenen Hauptstadt in Philadelphia. Dagegen landeten die puritanischen Siedler*innen mit der allseits bekannten Mayflower im sogenannten Neuengland, welches rund um das Cape Cod und das heute noch bestehende Boston zu einem Puritanerstaat wurde. Aus dem Verhalten der Kongregationen und ihrer Ideologie lassen sich drei Grundsätze ableiten, die auch heute noch von enormer Bedeutung sind. Neben dem Rudeldenken der jeweiligen Gruppierungen, die sich in unterschiedlichen Staaten ansiedelten und versuchten mit den andersdenkenden Siedler*innen aus Selbstschutzgründen den Kontakt zu meiden, sind die Skepsis gegenüber einer staatlichen Autorität und die damit stete Betonung der Freiheit bis heute in der politischen DNA der Vereinigten Staaten verankert, und der ideologische Versatz des Ultraprotestantismus mit einer Betonung der Arbeitsethik als Grundlage für den Empfang Gottes und die Frömmigkeit des Einzelnen bezeichnete bereits Max Weber als „‚Geist‘ des Kapitalismus“.
Im Laufe der kommenden Jahre und Jahrhunderte sorgte der erstgenannte Punkt für die Entstehung eines besonderen Nationalbewusstseins und des Inbegriffs der Vereinigten Staaten als neues Bollwerk gegenüber der Unterdrückung von Minderheiten. Wie eng dies gefasst war, ließ sich allerdings unmittelbar erahnen, war (Parteien-)Demokratie doch niemals das Ziel der Gründerväter der USA, und die Freiheit erstreckte sich auch lediglich auf weiße Siedler*innen.
Bereits damals spielte das Klima eine große Rolle
Die zweite wichtige historische Entwicklung der Vereinigten Staaten spielte sich aufgrund der klimatischen Bedingungen ab. Weiter oben wurde bereits hergeleitet, aus welchem Grund sich die frühen Siedler*innen der Autorität staatlicher Kontrolle entziehen wollten und dieser von Grund auf misstrauten. Ein weiterer Faktor für eine Reise in die neue Welt war für zahlreiche das schier unerschöpfliche Land. So wurden Neuankömmlingen in manchen Bundesstaaten wie dem später gegründeten Georgia bereits bei Anreise 100 Hektar Land und ein kleines Haus zugestanden[2]. All dies sorgte dafür, dass der Andrang aus Europa wuchs – was der sich im Süden des Landes aufgrund von guten klimatischen Bedingungen befindlichen, sehr arbeitsintensiven Landwirtschaft zugute kam.
Die Entdeckung von Goldgruben und der Fund von wertvollen Metallen blieb zwar aus, was jedoch im Gegensatz zur alten Heimat Europa produziert werden konnte, waren die aufwendig und intensiv zu erwirtschaftenden Rohstoffe Baumwolle und Tabak. In den Südstaaten, in denen mehrfach im Jahr geerntet werden konnte, etablierte sich demnach eine monokulturelle Struktur von landwirtschaftlicher Arbeit, die zu überwiegenden Teilen auf diesen beiden Pflanzen beruhte. Zu Beginn wurden vermehrt englische Vagabund*innen und Landstreicher*innen für die Ernte ausgebeutet, die quasi kostenlos (zur Begleichung von in England begangenen Strafen) via Kaution als Bezahlung die Ernte vollzogen. Später etablierte sich der transatlantische Sklavenhandel, welcher von England massiv unterstützt wurde, da sich mit der damals als „Ware“ geltenden Arbeitskraft von versklavten Afrikaner*innen eine Menge Geld verdienen ließ.
Aufgrund dieser Entwicklungen war es den Siedler*innen in den Tabak und Baumwollgebieten im Süden des Landes vorbehalten, Personen ohne direkte Bezahlung für sich arbeiten zu lassen und die Früchte hierfür komplett zu ernten, wohingegen der Norden zum einen nicht in dem Maße von der Landwirtschaft abhängig war, sich zum anderen allerdings auch nicht an den massiven Profiten erfreuen konnte. Im Süden entwickelte sich folglich eine Art Landaristokratie, welche Familien über Jahrzehnte das Eigentum an großen Häusern, Höfen, riesigen Feldern und auch menschlichen Sklaven sicherte. Hierin findet sich ein entscheidender Grund, weshalb der Süden der USA sich lange Zeit nicht im selben Maße wie der Norden des Landes industrialisierte und nach wie vor Rassismus, aber auch das Wahlverhalten in den USA stark an der regionalen Komponente Norden/Süden abgelesen werden kann.
Die innenpolitischen Geschehnisse lassen bereits darauf schließen, dass sich die USA als Staat unter dem Motto e pluribus unum stets in Konstitution und inneren Konflikten befand, welche sich bis heute widerspiegeln – beispielsweise in den oben erwähnten Schlagzeilen. Im kommenden Schritt soll die darauf aufbauende Außenpolitik beschrieben und nachgezeichnet werden.
Die amerikanische Außenpolitik baut auf langjährigen kulturellen Traditionen auf
Verschrien ist die USA als eine Art „Weltpolizei“, insbesondere in sich selbst als links beziehungsweise antiimperialistisch verstehenden Gruppierungen findet der Hass gegenüber den Vereinigten Staaten sowie ihrer aktuellen Außenpolitik eine stete Ausprägung und wird auch durch die Medien und antiamerikanische Stereotypen in der Mitte der Gesellschaft rezipiert wie reproduziert. Zum einen wird der vermeintliche Interventionismus der USA breit besprochen, auf der anderen Seite war jedoch die Enttäuschung groß, als der neue Präsident der USA einen Rückzug amerikanischer Truppen aus zum Beispiel Syrien ankündigte. Doch der Trump’sche Isolationismus und die damit einhergehende Abkehr vom amerikanischen Exzeptionalismus ist keineswegs eine Neuheit.
Der Beginn der US-Außenpolitik findet sich begründet im fünften Präsidenten, James Monroe. Die nach ihm benannte Monroe-Doktrin besagte neben der Teilung der Welt in unterschiedliche Einflusssphären (Americas und Europa), dass sich die Vereinigten Staaten aus den imperialistischen Bestrebungen und den Kriegen der alten Welt heraushalten wolle. Die Tradition, die Monroe mit seiner Doktrin setzte, sollte mehr als 100 Jahre halten.
Zum ersten Mal bröckelte der außenpolitische Grundsatz, als sich der damalige Präsident Woodrow Wilson dazu genötigt sah, aufgrund akuter Beweise der deutschen Absicht mit Mexiko gegen die Vereinigten Staaten im ersten Weltkrieg vorzugehen, in ebendiesen einzugreifen und an den Kampfhandlungen auf dem Festland Europas teilzunehmen. Dies verband er unter anderem mit der selbst erstellten Agenda der 14 Thesen, welche sich einer friedlichen Welt der demokratischen und selbstbestimmten Länder verpflichtet sah und die Grundlage für den nach dem Krieg entstandenen Völkerbund legte. Dieser zerfiel schnell, angesichts der sich rasch entwickelnden Nationalismen in Europa und Asien sowie dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Vollends Abstand genommen wurde vom Nachfolger Wilsons, der ebenfalls der demokratischen Partei entstammte und als Vater der amerikanischen Sozialversicherung in die Geschichtsbücher einging. Franklin Delano Roosevelt intervenierte im Jahre 1941 nach dem externen Schock durch einen Angriff auf Pearl Harbour, einem Marinestützpunkt auf Hawaii. Im Vorhinein bestand bereits die Absprache, die als Atlantic Charta bekannt wurde und sich mit einem Postkriegsentwurf für Europa beschäftigte. Federführend waren hierbei der britische Premierminister Winston Churchill und besagter Roosevelt. Was sich bereits im frühen 14-Punkte-Plan Wilsons als auch in der Atlantic Charta widerspiegelte, war der Wille der Einflussnahme und der Aufbau einer vermittelnden Instanz zwischen unterschiedlichen Ländern mit dem Ziel, Krieg und Gräuel, wie sie zweimal von deutschem Boden ausgegangen waren, in Zukunft bereits im Keim zu ersticken. So war es kein Zufall, dass im Nachgang des Sieges der alliierten Mächte im Zweiten Weltkrieg eine Neuauflage des Völkerbundes mit der Organisation der United Nations entstehen sollte, die sich auf dem Fundament der Atlantic Charta schnell zu allgemeinen Menschenrechten und Demokratie sowie der Selbstbestimmung der Nationen bekannte.
Vom kalten Krieg zum Ende der Geschichte
Was folgte, ist allen bekannt. Die bipolare Welt des kalten Krieges brachte viel Angst und Schrecken mit sich, sorgte allerdings auch dafür, dass sich die Vereinigten Staaten als Weltmacht in Systemkonferenz mit der damaligen UdSSR behaupten mussten und in multilateraler Allianz unter anderem die NATO ins Leben riefen – eine Organisation, von der wir noch heute profitieren. Nach Ende der systemischen Auseinandersetzung prophezeiten amerikanische Konservative wie Francis Fukuyama bereits das Ende der Geschichte und die unaufhaltsame Verbreitung des Dualismus zwischen liberalem Kapitalismus und demokratischer Entwicklung als Dogma. (The End of History? – Francis Fukuyama)
Die Positionsfindung innerhalb der außenpolitischen Elite und der damit verbundene selbst deklarierte Auftrag zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten weltweit zog sich bis in die Administration von Barack Obama und wurde durch ihn in eine neue Richtung gelenkt. Außenpolitischer Change wie im Wahlkampf versprochen folgte von Bush auf Obama und damit einhergehend die Fokussierung auf neue Beziehungen und multilaterale Herangehensweisen. Nicht umsonst stammen mit dem Pariser Klimaabkommen und dem Iran-Deal (was auch immer man von diesen Abkommen halten mag) seltene Einheitsbekundungen tiefer Rival*innen aus aller Welt. China, Indien, der Iran und Russland sind allesamt vertragliche Übereinkünfte mit den Vereinigten Staaten unter POTUS 44 eingegangen, was vom internationalen Einfluss der Administration zeugt, auch wenn die Konservativen und Reaktionären innerhalb der USA (allen voran Donald Trump) stets versuchen, Obama als schwachen Präsidenten zu stilisieren. (Link zum Artikel von Christoph Marschall wenn möglich)
Auch wenn Barack Obama stets versuchte, neue strategische Partnerschaften mit Ländern wie beispielsweise China und Indien aufzubauen, besuchte er keinen Teil der Welt so oft wie Europa. Die Wahrnehmung der EU als einzig stabilen Partner zeugt vom Interesse an und von der Bedeutung der transatlantischen Gemeinde für stabile außenpolitische Beziehungen. Mit dem Wechsel in der Pennsylvania Avenue schloss sich auch scheinbar die Ära des Multilateralismus und der transatlantischen Partner*innenschaft – zumindest rhetorisch.
Donald Trump brachte einen entscheidenden Wechsel
Die transatlantische Partnerschaft und die Beziehungen zwischen den Staaten der angloamerikanischen Welt und Europa basiert auf historischen Säulen und lässt sich am Kampf für Gleichheit, Freiheit und Emanzipation nachvollziehen. Die USA sind nominal noch immer das Land mit dem größten Anteil an der Weltwirtschaft und für Deutschland und Europa einer der wichtigsten Partner*innen. Nicht umsonst beschreibt das Auswärtige Amt die Beziehungen zwischen Deutschland und Nordamerika als „der wichtigste Pfeiler“ neben der europäischen Integration und die USA und Kanada als die engsten Verbündeten außerhalb Europas.
Neben der historischen Verbindung, die ein großes europäisches Erbe in den Vereinigten Staaten und damit die kulturelle Schmiede von Einheit in Vielfalt der USA mitbegründet haben, verdankt Europa durch die weitsichtige, geopolitische Einschätzung der Alliierten, allen voran der USA, den Sieg über den Nationalsozialismus und final den Frieden auf dem europäischen Kontinent. Während sich nach dem ersten Weltkrieg erneut Rachegelüste in Kontinentaleuropa und damit verbundene Rivalitäten durchsetzen konnten, war es nach dem Zweiten Weltkrieg der von den amerikanischen Besatzer*innen durchgesetzte Marshall-Plan, welcher im Stile des New Deals für den Wiederaufbau der kriegsgescholtenen Europäer*innen sorgte und final zur Stabilität der Demokratie in West- und später ganz Europa beitrug. Der Fortschritt, der in den USA auch durch den kalten Krieg und den systemischen Wettbewerb entstand, wurde durch die folgende Westbindung der Bundesrepublik auch ein Teil europäischer Identität. Nicht zuletzt steht die NATO als Schutzpatron für die europäische Union an der Seite der europäischen Staaten und sorgt trotz Nichterfüllung des vereinbarten 2%-Ziels für Sicherheit an der europäischen Ostgrenze – übrigens eine Kritik an der Politik und Vertragstreue zahlreicher EU-Staaten, die auch unter Obama schon mehrfach vorgetragen worden ist.
Was wir mit den USA und der transatlantischen Politik verbinden sollten, ist allerdings insbesondere Freiheit, Frieden und Demokratie, die durch die Alliierten in Europa verankert worden sind und für die gemeinsam mit den USA als transatlantische, werteorientierte Allianz schon seit geraumer Zeit eingestanden wird. In Zeiten, die nach diversen Umfragen immer unfreier werden, durchaus ein Verhalten, an dem es festzuhalten lohnt.
Wird es nach Donald Trump noch einen Westen geben?
Doch was kommt nach November? Viele europäische Kommentator*innen schreiben sich eine Welt zurecht, in welcher die vierjährige Präsidentschaft von Donald Trump schlichtweg rückgängig gemacht werden kann. Claus Leggewie beschreibt die Situation wie folgt:
„Zurück auf Anfang? Selbst wenn Trump keine zweite Amtszeit bekommt, hat seine erste, zusammen mit globalen Trends seit der Jahrtausendwende, die Welt so radikal verändert, dass ein schlichter Rückbau seiner Fehlentscheidungen und ein Bekenntnis zu westlichen Werten zu wenig ist. Es gibt keinen Status quo ante Trump, radikal neue geopolitische Konstellationen sind entstanden.“
Wir leben in einer Welt, in der sich die Freiheit weltweit seit 13 aufeinanderfolgenden Jahren verschlechtert, wie das Forschungsinstitut freedomhouse.org in seinem jährlichen Länderbericht beschreibt. Wir leben in einer Welt, in der sich Multilateralismus auf dem Rückzug befindet und Diktaturen über Demokratien zu siegen scheinen – in einer Welt, in der die These des Endes der Geschichte nicht zuzutreffen scheint. Wir leben außerdem in einer Welt, in der ein machtvoller Systemkonkurrent entsteht (die Volksrepublik China), die in Teilen drauf und dran ist den westlichen Mächten im Themenbereich Zukunftstechnik durch ihre unterdrückenden Mechanismen zuvorzukommen.
All dies sind Themen und Herausforderungen, die durch die Präsidentschaft von Trump begünstigt worden sind. Was wir heute brauchen, ist eine Neuauflage der transatlantischen Beziehungen, massive Investitionen und Kooperation zwischen den westlichen Mächten. Die Münchner Sicherheitskonferenz hatte in ihrer diesjährigen Ausgabe das Hauptthema Westlessness. Hierbei wurde sich schwerpunktmäßig mit Initiativen beschäftigt, wie der Westen als Wertekonstrukt auch außenpolitisch der bereits gezeichneten Abwärtsspirale entkommen könne. Sicherlich gibt es keine einfache Lösung – wie bei großen Problemen üblich. Doch die Herausforderungen, die vor uns stehen, sind so enorm, dass es nun gilt, die Beziehungen über den Atlantik wiederzubeleben. Es geht nur mit gegenseitigem Interesse, mit einer Abkehr von den bisherigen Fixierungen auf realistische Außenpolitik und unter neuen Ansätzen. All dies ist auch unsere Aufgabe – behalten wir im Hinterkopf, dass ein einseitiges Vorantreiben der USA durch die fehlenden historischen Gegebenheiten und die aktuellen (innen-)politischen Herausforderungen weder wünschenswert noch möglich wäre.
Martin Klingst und Jörg Lau haben in der ZEIT Folgendes über transatlantische Organisationen geschrieben:
„Mit den Transatlantikern ist es wie mit dem feinen britischen Establishment; in ihre Kreise und Lehreinrichtungen dringen kaum Kinder aus unteren Schichten vor.“
Damit ist unser Auftrag für kommende Generationen bereits formuliert.
Titelbild: Pexels. CC 2.0.