„Four More Years?“ Das wäre das Ende.

In dieser Artikelreihe legen Junge Transatlantiker und Transatlantikerinnen ihre Einschätzungen zur anstehenden US-Wahl dar. Den Beginn macht Gregory Pieniazek. Der in Bonn geborene US-Amerikaner erklärt, wieso er den Demokraten Joe Biden präferiert – und darauf setzt, dass er gewinnt.


Warum ich mir Biden statt Trump wünsche? Dafür gibt es zwei gute Gründe: Obwohl laut vielzähligen Umfragen ein Großteil der US-Amerikaner Trump wirtschaftlich weiterhin viel zutraut, sieht die langfristige finanzielle Lage unter ihm für die Vereinigten Staaten düster aus. Denn trotz der starken Konjunktur, die forty-five hauptsächlich von seinem Vorgänger Barack Obama gerbt hat, hat sich Trump entgegen jeder ökonomischen Logik dazu entschieden, die Wirtschaft mit noch mehr Steuersenkungen für die Wohlhabenden und Superreichen weiter anzukurbeln.

Zu signifikant mehr Wachstum haben diese Steuergeschenke allerdings nicht geführt. Im Gegenteil: Vielmehr haben sie dafür gesorgt, dass das öffentliche Haushaltsdefizit noch mehr in die Höhe schnellt – ohne dabei die wesentliche Probleme des Landes zu lösen. Und von denen gibt es viele: die marode Infrastruktur, die wachsende Ungleichheit und hohe Privatverschuldung, oder auch die schlechte Gesundheitsversorgung nur annähernd zu lösen oder überhaupt zu adressieren. Und hierbei reden wir von einer Pre-Corona Welt. Eine grandiose Idee für seinen Second Term hat Trump auch schon. Und zwar könnte er sich gut vorstellen Social Security, das einzige nennenswerte soziale Absicherungsprogramm quasi komplett abzuschaffen.

Für eine Revolution oder eine komplette Erneuerung steht Biden jedenfalls nicht. Allerdings würde er das Steuersystem gerechter strukturieren, die Schuldenlast vieler junger Menschen reduzieren, Social Security in seiner jetzigen Form fortführen, und nachhaltig in Bereiche wie Infrastruktur, Bildung, und Erneuerbare Energien investieren statt noch mehr von Unten nach nach Oben hin zu verteilen. Für die meisten Amerikaner ist dieser Deal um einiges besser als Trump ihnen bietet.
Oder ihnen wegnehmen möchte.

Ich will einen kompetenten Präsidenten, der Probleme ernst nimmt

Trump’s Umgang mit Corona und den Waldbränden hat gezeigt, dass er absolut kein Interesse hat wissenschaftlich belegte Umwelt- und Gesundheitsgefahren ernst zu nehmen oder gar zu lösen. Trump’s Strategie in der Corona Pandemie war schon von Tag 1 an den Virus herunterzuspielen, nur damit er nicht schlecht da steht. Dies hat unnötig Menschenleben gekostet und viele Bürger im Land tatsächlich dazu angestiftet, zu hinterfragen ob dieser Virus überhaupt existiert oder doch nur eine Erfindung von Bill Gates sei. Auch das Thema Klimawandel wird komplett ignoriert und das obwohl mein Heimatland wie kein Zweites Jahr zu Jahr von zunehmenden Umweltkatastrophen immer mehr belastet wird.

Obwohl Joe Biden selbst, wie die meisten Politiker, kein Experte in diesen Bereichen ist, hat er klargestellt, dass er den Ernst der Lage versteht und bereit ist, die Situation im Bezug zu Corona und zum Klimawandel sachgerecht anzugehen, um zusammen mit Wissenschaftlern eine nötige Lösung zu finden. Nicht nur deshalb hat die Zeitschrift Scientific American zum ersten Mal in ihrer 175-jährigen Geschichte einen Präsidentschaftskandidaten empfohlen. Das muss man sich nochmal durch den Kopf gehen lassen. Es geht hier nicht um das wie sondern ob diese Gefahren überhaupt existieren.

Warum Biden gewinnen wird? Ganz einfach: Nochmal wird der Rust Belt nicht auf Trump’s protektionistische America First Rhetorik herein fallen. 2016 hat es Donald zwar tatsächlich geschafft, dank einigen zehntausend Stimmen, als erster Republikaner seit 1984 Wisconsin, Michigan, und Pennsylvania auf einmal während einer Präsidentschaftswahl zu gewinnen.
Aber alle Trends in dieser Region deuten dieses Jahr auf einen Sieg der Demokraten hin.

Bereits bei den Midterms 2018 haben die Demokraten in den 3 Staaten insgesamt 6 Congressional Districts hinzugewonnen, alle 3 Senatswahlen gewonnen, und in Michigan und Wisconsin den Republikaner sogar die Governor-Posten entzogen. Auch der umstrittene, aber recht beliebte Amtsinhaber Scott Walker ist dieser regionalen Blue Wave zum Opfer gefallen. Analysen zufolge können die Siege vor allem auf die erhöhte Wahlbeteiligung und auf weiße Hochschulabsolventen, die von den Republikaner vermehrt zu den Demokraten gewechselt haben, zurückgeführt werden. Das sollte Trump beunruhigen.

Zweitens sind Biden’s Umfragewerte unter weißen Wählern deutlich besser als die von Hillary Clinton zum gleichen Zeitpunkt vor 4 Jahren. Hinzu kommt, dass er nicht die selben Fehler wie sie macht. Hillary hat ja zum Beispiel nicht ein einziges Mal während ihres Wahlkampfes Wisconsin besucht und sich ebenfalls während der Kampagne oft gelassenen und siegessicher gezeigt.
Ein Joe Biden wird sich so etwas nicht erlauben.

Neben dem Rust Belt sieht es auch in anderen Regionen schlecht aus für die Republikaner. 2017 haben diese im erzkonservativen Alabama die Senatswahl mit den religiösen Hardliner Roy Moore verloren. Und 2019 mussten sie ihren Governor Posten auch in den Red States Kentucky und Louisiana räumen. So wie von einem Blue Wall keine Rede sein sollte, haben diese Wahlen deutlich gemacht, dass es auch keine Red Wall geben muss.

Und in ehemaligen sicheren Red States wie Georgia, Arizona, und sogar Texas deutet alles ohnehin auf einen starken demographischen Wandel hin, welcher die Demokraten zunehmend auch dort wettbewerbsfähig macht. Der einst republikanische Sunbelt, welcher in den 70er und 80er Jahren zur Hochburg von Reagan’s Anti-Steuer Bewegung wurde, scheint mehr und mehr an die Demokraten zu driften.

Mein Fazit: Biden muss gewinnen, weil die Mittelschicht im Land sonst noch weiter erodiert und die Vereinigten Staaten von Amerika globale Probleme wie den Klimawandel niemals mehr lösen werden können. Mit knappen, aber überzeugenden Siegen in den 3 wichtigen Rust Belt Staaten und höchstwahrscheinlich auch in 1 oder 2 der Sunbelt Staaten wie Arizona oder Georgia wird er dies auch am 3. November tun und somit der 46. Präsident der Vereinigten Staaten werden.


Titelbild: Ted Eytan. CC 4.0. Link.

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