In dieser Kolumne diskutieren zwei junge Transatlantiker:innen über das jüngst erlassene Verbot der Kommunikationssoftware TikTok in den USA. Den Anfang machte Leon Billerbeck, der die Argumente für das Verbot aufzählte. Nun legt Fabian Barth in seiner Antwort dar, wieso das Verbot von TikTok der falsche Weg ist.
YouTube, Facebook und WhatsApp wird in China auf absehbare Zeit wohl niemand (legal) nutzen. Zu sehr fürchtet das Regime in Peking freien Internet- und Informationszugang. Die damit einhergehende Verletzung eines menschlichen Grundrechts ist in der Volksrepublik systemimmanent. Wenn westlichen Internetkonzernen auf diese Weise der Zugang zu einem lukrativen Markt verwehrt wird, ist es dann nicht einfach nur fair, auch vergleichbaren chinesischen Unternehmen unsere Märkte zu verschließen?
Wäre es mit Sicherheit. Die große Schwäche dieses Arguments ist aber, dass es isoliert die Auswirkungen auf TikTok und WeChat betrachtet. Denn leider schadet ein Verbot nicht nur diesen Unternehmen, sondern schränkt auch die Freiheit der amerikanischen Staatsbürger ein, die die entsprechenden Dienste nutzen: Da wäre das Recht auf freien Zugang zu den Informationen, die die Plattformen zur Verfügung stellen, etwa die Inhalte auf TikTok. Das Recht auf freie Kommunikation mit Freunden oder Familienangehörigen in China, die dort nur WeChat nutzen können. Und letztendlich auch die wirtschaftliche Freiheit, einen Nutzungsvertrag mit dem jeweiligen Anbieter abschließen zu können.
Wann immer Freiheiten derart erheblich eingeschränkt werden, bedarf es zumindest nach unserem westlichen Staatsverständnis einer hieb- und stichfesten Legitimation. Gerade das unterscheidet uns von den Autokraten. Von hieb- und stichfest sind die Argumente für die von Präsident Trump in die Wege geleiteten Verbote aber weit entfernt. Natürlich liegt es nahe, dass chinesische Unternehmen Daten ihrer Nutzer in welcher Form auch immer für die Zwecke ihrer Regierung zweckentfremden. Doch sollte es nicht die Entscheidung der Nutzer als mündige Staatsbürger sein, ob sie dieses Risiko eingehen? Inwieweit die Übertragung der Daten konkret die nationale Sicherheit der USA (und nicht nur allenfalls die der Betroffenen) gefährden soll, ist jedenfalls nicht plausibel. Auch das eingangs aufgeworfene Argument wirtschaftlicher Fairness steht zu den erläuterten Kollateralschäden für die Freiheiten der Amerikaner völlig außer Verhältnis. Mit dieser schwachen Legitimation laufen die USA daher Gefahr, dass ihre Maßnahme nicht viel besser ist, als die Verbote der Chinesen. Wer die chinesische Zensur des Internets bei einem Anhänger der Kommunistischen Partei Chinas moniert, wird sich schon darauf einstellen können, ein Argument zu hören wie: „Habt ihr mit TikTok doch auch gemacht“.
Ohne wirklich überzeugende Gründe, warum ein Verbot unausweichlich ist, verbleibt nichts anderes, als den Unternehmen weiterhin den Zugang zum amerikanischen Markt zu gewähren. Mit der daraus resultierenden, zurecht als unfair empfundenen Situation werden wir aber immer wieder leben müssen, wenn wir im Kampf Demokratie vs. Autoritarismus auf der Seite der Freiheit stehen: Ein anderes Beispiel dafür ist, dass Russia Today den Westen unbehelligt mit Propaganda beschallt, während es in Russland keine Freiheit für westliche Presse gibt.
Doch gerade von dieser „Waffenungleichheit“ dürfen wir uns nicht dazu verleiten lassen, unsere Prinzipien aufzuweichen. Je mehr wir zu ihnen stehen, desto attraktiver ist und bleibt die Demokratie gegenüber anderen Systemen.
Konkret für TikTok, WeChat und China bedeutet das: China entschlossen entgegen zu treten ist richtig und wichtig. Aber nicht mit Mitteln, die unsere eigene Freiheit einschränken.
Titelbild: Pixabay. CC 2.0.
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