Seit vielen Jahrzehnten versorgen uns die Vereinigten Staaten von Amerika mit einem nicht enden wollenden Vorrat an Serien und den dazugehörigen Bewegtbilddiensten. Egal, ob Politthriller-Liebhaber, Drama-Queen, Sitcom-Süchtler oder History-Channel-Addict: Mit unseren Serientipps schaffst du es auch durch den zweiten Lockdown. Dieses Mal hat unser Autor Robert Schoder einen besonderen Tipp für euch.
Martin Rauch ist ein zufriedener junger DDR-Grenzer. Bis er aus diesem Leben gerissen und gegen seinen Willen in den Westen geschickt wird. Statt sich vor Westtouristen aufzuspielen und mit seinen Freunden und Freundin in Kleinmachnow zu feiern, heißt es nun, getarnt als Bundeswehroffizier, an NATO-Konferenzen und Übungen teilzunehmen. Das ist der unorthodoxe Startpunkt zahlreicher transatlantischer Affären und Deutsch-Deutscher Geschichten. Oft erzählt mit einem Augenzwinkern. Die Zuschauer tauchen ein in die Lebenswelt der 80er auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Die Serientrilogie „Deutschland“, die mit Deutschland89 im September ihr Finale gefunden hat, bietet spannende Unterhaltung in knalliger 80er Atmosphäre. Ein lebendiger Ritt durch Wendepunkte im Kalten Krieg, mit ironischen Deutsch-Deutschen Teilungsstories, bei dem transatlantische Bezüge nie zu kurz kommen.
Die erste Staffel konzentriert sich darauf, ein Agententhriller mit jugendlichem Charme zu sein. Der von Jonas Ney gespielte Martin erlebt als Adjudant eines ranghohen Generals hautnah mit, wie sich Pershing-2-Stationierung und Friedensbewegung auf den Ost- West-Konflikt auswirken. Auch wenn er dadurch die angenehmen Seiten der westlichen Kultur kennenlernt und mehr unfreiwillig in die ein oder andere Romanze gerät, bleibt sein Hauptziel zurück in den Osten und zu seiner schwangeren Freundin zu kommen. Die Staffel spitzt sich über Fehlinterpretationen von Alarmzuständen, Planspielen und der NATO-Übung Able Archer zu, die den Kalten Krieg beinahe in einen heißen Krieg verwandelt hätten – hätte es keine Geheimagenten gegeben, die Entwarnung gaben…
Staffel zwei: Deutschland86 nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise zu verschiedenen Brennpunkten auf dem afrikanischen Kontinent, wo sich West und Ost gegenüberstanden. Während Martin in schmutzige Waffendeals und Affären mit der von Lavinia Wilson verkörperten BND-Agentin Brigitte Winkelmann verwickelt wird, zeichnet sich zu Hause der finanzielle Bankrott der DDR ab. Dieser wird durch Anke Engelke, die eine karrierebewusste Buchhalterin mimt, in Szene gesetzt. Sehr eindrücklich werden hier auch die Abgründe des totalitären Systems gezeigt, das bei Opposition seine Bürger über subtile Mechanismen terrorisiert und Leben vernichtet.
Die pünktlich zu 30 Jahren deutsche Einheit im September erschienene dritte Staffel Deutschland89 lässt Martin den Zusammenbruch der DDR miterleben, in dem er zwischen allen Stühlen auch sein eigenes Spiel treibt.
Hervorzuheben bei der Deutschland Trilogie sind stringente Handlung der ersten Staffel und die in großen Teilen herausragende Charakterentwicklung vieler repräsentativer Protagonisten. Getragen ist die Serie dabei von hervorragenden Leistungen eines Schauspiel-Ensembles, das mit bekannten Größen aufwartet und Nachwuchshoffnungen zahlreiche Möglichkeiten bietet zu glänzen. Zu sehen sind neben den Genannten unter anderem Maria Schrader, Ulrich Noethen, Ludwig Trepte, Svenja Jung und Uwe Preuss. Der durchgängig passende Soundtrack von „99 Luftballons“ bis „Blue Monday“, Neuer Deutscher Welle bis Punk, hält die Zeitreise lebendig.
Wertvoll ist die Serie – neben ihrem Unterhaltungswert – vor allem aufgrund ihre vielen historischen Bezüge. Sie gestaltet, ein zwar etwas frei interpretiertes, allerdings doch authentisches Bild von Wende- und Endpunkten des Kalten Krieges. Dabei ist sie niemals einseitig und zeigt, dass sich auch der Kalte Krieg nicht ganz in schwarz und weiß einteilen lässt. Auch die Leichen im Keller des Westens werden nicht versteckt, wenn Geheimdienstmethoden oder schmutzige BRD-DDR-Pharma-Deals thematisiert werden. Die „Guten“ sind oder bleiben nicht immer gut, während die „Bösen“ Chancen haben, ihre menschliche Seite zu entwickeln – manchmal auch nur die ihrer Abgründe. Beispiel gefällig? Der brilliant von Sylvester Groth dargestellte HVA Major Walter Schweppenstette, der nicht nur ein kalter Karrierist, sondern auch ein Überzeugungstäter ist. Es macht Spaß ihm nicht nur dabei zuzusehen, wie er den Untergang der DDR erlebt, sondern auch wie er seine menschlichen Schwächen gegenüber seiner Familie und urkomische Inkompetenz im Westalltag zeigt.
Besonders für junge transatlantische Serienfans ist die Deutschland Trilogie ein Must-See. Aufgespannt wird nicht nur ein Zwischenspiel aus DDR und BRD, sondern CIA, US-Militär und die Betitlung der ersten Episoden nach NATO-Übungen, geben allen Staffeln ein starkes transatlantisches Flair. Die USA spielen wie damals auch in der Serie keine Nebenrolle, Haupthandlungsstränge sind mit ihr verwoben und während Amerikaner Schlüsselfiguren spielen. Dabei ist die Serie selbst ein Produkt einer transatlantischen Beziehung. Die amerikanische Schriftstellerin Anna Winger hatte die die Idee und schrieb das Drehbuch, das ihr deutscher Mann und Showrunner Jörg Winger mit den Regisseuren Edward Berger und Samira Radsi umsetzte.
Außerdem war Deutschland83 auch in den USA erfolgreich, hat auf beiden Seiten des Atlantik Preise gewonnen und bildet damit eine Ausnahme bei deutschen Serienproduktionen.
Zu sehen ist diese lebhafte Corona-Winter-Flucht für Prime-Mitglieder kostenlos auf Amazon. Weitere Serienempfehlungen für die Kalte Jahreszeit mit amerikanischem Fokus findet ihr in unserem Artikel Diese 11 Serien helfen dir zuhause zu bleiben.