Ich bin eigentlich nicht der typische Angeber – aber diesmal geht es einfach nichts anders: Ich lag in meiner Wahlprognose einfach richtig. Weiße Hochschulabsolventen haben Joe Biden den Rücken gestärkt und ihm dazu verholfen, die 3 Rust Belt Staaten Michigan, Wisconsin, und Pennsylvania knapp aber letztendlich doch überzeugend zu gewinnen. Somit ist er jetzt der President-elect der Vereinigten Staaten und wird am 20.01 das Amt im Weißen Haus übernehmen.
Wäre man allerdings in den Wochen vor der Wahl im Land unterwegs gewesen, hätte man vielleicht mit einem ganz anderen Outcome gerechnet. Denn die Fans von Donald Trump, mit ihren Trump Flaggen-dekorierten Pickup-Trucks und ihren stechend roten MAGA-Mützen, konnte man einfach nicht übersehen. Ungehemmt haben sie Trump’s Propaganda-Lügen durch alle Kanäle repetiert und Andersdenkende im Tagestakt tyrannisiert und sogar bedroht. Wer da also anderer Meinung war, hat sich, so schien es jedenfalls, lieber etwas zurückgehalten anstatt auf Dialog zu setzen. Auch ich musste zahlreiche Verwandte und ex-Freunde in dieser Zeit auf Facebook entfreunden.
Es dürfte deshalb nicht ganz falsch sein, die Koalition aus jungen Hochschulabsolventen, neu-progressiven Vorstadtbewohnern, und Großstadt Afro-Amerikanern als Silent Majority zu bezeichnen. Mit Fangear und Maschinengewehren sind diese zwar nicht für Biden auf die Straßen gegangen, haben dafür aber an der Wahlurne ein ganz klares Zeichen gesetzt. Lauter ist also nicht immer besser und am Ende zählt tatsächlich noch wer die meisten Stimmen bekommt, der gewinnt. Wer hätte das geglaubt?
Für die eigentliche Überraschung sorgten Georgia und Arizona
Der Wiedergewinn der Blue Wall States war für die Demokraten ohne Zweifel überlebensnotwendig. Aber der noch interessantere Preis waren ihre Siege in Georgia & Arizona. Denn hier hat man beobachten können, dass die schon seit der Obama-Ära angestrebte Sunbelt-Strategie, auch in der Tat umsetzbar ist. Staaten wie Georgia, Arizona oder auch Texas ändern sich und erleben Jahr für Jahr einen rasanten Bevölkerungszuwachs. Was natürlich auch heißt, dass diese bei den Wahlmännern in Zukunft eine wichtigere Rolle einnehmen werden. Der Erfolg war hier aber nicht dem Zufall zu verschulden. Charismatisches Personal direkt vor Ort und das hervorheben relevanter Themen hat diese Siege letztendlich erzwungen.
In Georgia etwa ist der Erfolg vor allem auf die energische Afro-Amerikanerin Stacey Abrams zurückzuführen. Diese hat es sich, nach ihrer knappen Gouverneur Wahlniederlage in 2018, zum Ziel gemacht so viele Afro-Amerikaner und junge Menschen wie möglich für die nächste Wahl zu mobilisieren. Wahlrechtsentzug via bürokratischen Hürden war bekanntermaßen einer der Hauptgründe warum sie selber vor 2 Jahren unterlegen war. Ihr Strategie zahlte sich aus. Die Wahlergebnisse aus dem Großraum Atlanta, welches als eine Art Black Mekka bekannt ist, war für Biden und die beiden Demokratischen Senatskandidaten mehr als zufriedenstellend und hat Georgia zum ersten mal seit 1992 in einer Präsidentschaftswahl blau gefärbt.
In Arizona hat sich die Geschichte ähnlich abgespielt. Der demokratische Erfolg ist dort größtenteils auf den Aktivismus mexikanisch-stämmiger Bürger zurückzuführen. Denn diese hatten schon seit Jahren ein ganz klares Ziel vor Augen, Joe Arpaio und seinen drakonischen Polizeiapparat zu stürzen. Massenhaft unaufgeklärte Todesfälle von Häftlingen, zahlreiche Verhaftungen von Journalisten und auch das Verschwinden staatlicher Finanzmittel werden ihm unter anderen vorgeworfen. Er selber hat seine Häftlingszeltstationen stolz als “Konzentrationslager“ bezeichnet. Sein größter Fan Donald Trump musste ihn nach einer Reihe von Klagewellen sogar begnadigen. Das war aber ein sehr teuerer Akt und hat Trump wahrscheinlich auch in der Heimat von John McCain die Wahl gekostet.
Ausblick: Die Demokraten werden es gegen einen moderateren Republikaner schwerer haben
Klar ist, Trump’s Verhalten hat viele bürgerlichen Wähler abgeschreckt. In den Folgejahren könnte aber ein moderater oder ein Trump-lite Kandidat der Republikaner, wie Nikki Haley oder Ron De Santis, diese ganz einfach wiedergewinnen und dann den Mittleren Westen wieder komplett rot färben. Von den Strategien in Georgia und Arizona sollten sich die Führungskräfte der Demokraten also eine Scheibe abschneiden. Charismatische Kandidaten und Themen-bezogener Aktivismus gewinnen langfristig die Wahlen.
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